Lebensstil - Bedarfsfelder

Referent: Donat Kirschner


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4

Projektstudie Rommelmühle: Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit, Gebhardt et al.
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen


Lebensstil - Bedarfsfelder
1. Einleitung

1.1 Zusammenfassung

In Teil 1 der Arbeit, welcher die Kapitel 1 und 2 umfasst, werden die Konzepte Lebensstil und Bedarfsfelder - Bedürfnisse erörtert. Dabei spielt eine große Rolle inwieweit es sinnvoll im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung eine Veränderung des westlichen Lebensstils zu fordern. Im Zuge der Bearbeitung wurde diese Frage in eine gesamtgesellschaftlichen Teilkomplex und eine differenziert Betrachtung innerhalb der Gesellschaft getrennt. Da einerseits die Organisationsstrukturen der Gesellschaft die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Lebensstile bilden und in ihrer Gesamtheit betrachtet werden können, anderseits aber das interne Bild ein großes Spektrum an Verhaltensweise und Lebensstilen zeigt, die für eine Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen detailliert im einzelnen betracht werden müssen. In diesem Zusammenhang spielen die Bedarfsfelder eine große Rolle, die in ihrer Systematik das Aufzeigen von Wegen und Potentialen zur Nachhaltigkeit ermöglichen sollen.

Teil 2 zeigt anhand dreier Studien den Umgang mit im Konkreten mit den erörterten Konzepten. Dabei wird jede Studie in dieser Arbeit unter einem anderen Schwerpunkt besprochen, die in ihrer Gesamtheit Methoden, Detaillierungen und Einzelergebnisse aufzeigen. Der in Teil zwei dargestellte Zusammenhang zwischen Lebensstil, Infrastruktur, Verhaltensweisen und materiellen Produkten steht hierbei im Vordergrund und wird durch die unterschiedlichen Betrachtungsschwerpunkte in seinen Facetten beleuchtet.

Im letzten Kapitel werden Erfolge und Hindernisse auf dem Weg zu nachhaltigen Konsummustern kurz dargestellt.


 
Entwicklung von Löhnen und Preisen in Deutschland

Abb.1
Entwicklung von Löhnen und Preisen in Deutschland
Eigene Darstellung
Datenquelle: nach Reusswig et al . S. 9,
Statistisches Bundesamt
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft

Die Frage nach der Etablierung von nachhaltigen Konsummustern und Schritte zu solchen stellt sich nur vor dem Hintergrund, dass weniger bis nicht-nachhaltige Konsummuster im Konsumverhalten noch dominieren.
Die Ausprägung von unterschiedlichen Konsummustern und deren Bedeutung und Problematisierung setzt eine entwickelte Konsumgesellschaft voraus. Solange Konsum sich auf die Befriedigung von existentiellen Bedürfnissen bezieht und nur begrenzt der Entscheidung des einzelnen Individuums unterworfen ist, vielmehr durch materielle Restriktionen bestimmt wird, kann nur begrenzt von Mustern gesprochen werden, die in Frage gestellt werden können. Erst in einer Konsumgesellschaft kann sich die ganze Breite moderner Lebensstile entfalten. Das Konzept Lebensstil beschränkt sich zwar nicht auf den Kauf und die Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, ist also mit Konsum nicht identisch, aber ist Vorraussetzung um über individuelle Konsummuster sprechen zu können [Reusswig et al. 2003, S.8].

Die Entwicklung moderner Konsumgesellschaften setzt historisch mit der Industrialisierung ein und zeigt ihre charakteristischen Ausprägungen bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts in Nordamerika. In Europa kriegsbedingt erst ab den 1950er Jahren [Siegrist/Kaelble/Kocka 1997].

Zu den grundlegenden Eigenschaften moderner Konsumgesellschaften gehören nach Brewer [1997, S.52-56] folgende Aspekte:

"Die Bereitstellung eines reichhaltigen Warensortiments für Verbraucher (...) Dabei handelt es sich nicht um "lebensnotwendige" Güter, aber auch nicht unbedingt um Luxuswaren, sondern vor allem um das, was Adam Smith in "Wealth of Nations" als "decencies", als Annehmlichkeiten bezeichnet hat. Diese Waren befriedigen eher "Wünsche" als "Bedürfnisse". (...)

Die Entwicklung hochkomplizierter Kommunikationssysteme, die Waren mit Bedeutung versehen und das Bedürfnis nach ihnen wecken. (...)
Gleichzeitig sind für die Sinnstiftung und Produktdifferenzierung zuständige Berufsgruppen entstanden. (...)

Die Bildung von Objekt-Bereichen.., d. h. eines Bündels von Gegenständen, die in eine gemeinsame Bedeutungsmatrix eingefügt sind und bestimmte Orte wie das Haus oder den Körper besetzen. Diese Objektbereiche schaffen Sphären des Geschmacks, der Mode und des Stils. (...)

Die Betonung der Freizeit gegenüber der Arbeit und des Konsums gegenüber der Produktion (...)

Die Entstehung der Kategorie "Konsument". (...) (Es) wird auch das Selbstverständnis der Menschen mehr oder weniger von ihrer Rolle als Konsumenten bestimmt - ein Lebensgefühl, das der kalifornische Erfolgs-Sticker "Born to shop" auf den Punkt bringt. (...)

Eine tiefe Ambivalenz, manchmal sogar offene Feindschaft gegenüber dem Konsum. Es gibt starke Traditionen christlicher, konservativer, humanistischer und sozialistischer Provenienz, die unser Gewissen belasten, wenn wir konsumieren (...)"

In den von Brewer genannten Punkten wird bereits die später näher zu erörternde Rolle des Lebensstils für das Konsumverhalten einzelner erkennbar. Keine Erwähnung findet jedoch der Zusammenhang zwischen Konsum und Ressourcen- bzw. Energieverbrauch.
Lange Zeit galt die Gleichung mehr Wohlstand = höhere Energieverbrauch als Grundkonstante für das Wachstum und steigende Lebensqualität von Gesellschaften. Erst im Zuge der Ölkrisen und Atomproteste wurde diese im Ansatz in Frage gestellt. Unter dem Eindruck stetig steigender Ausbeutung fossiler Energieträger und der daraus resultierenden Umweltbelastung steigt jedoch der Handlungsdruck, wobei dieser sich relativiert, dadurch, dass die Belastungen sich nur bedingt in den Kosten widerspiegeln.


1.3 Der westliche Lebensstil 1

Gleichzeitig wurde die Forderung nach einer Änderung "unseres" (= des westlichen) Lebensstils - z.B. aus Gründen des Klimaschutzes oder aus Gründen der Nord-Süd-Gerechtigkeit " verstärkt erhoben (Reusswig et al. 2003, S.13). Wobei in diesem Sinne der Begriff des Westlichen Lebensstils die Eigenschaften und Konsequenzen der modernen Konsumgesellschaft beinhaltet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die moderne Konsumgesellschaft heute kein ausschließliches Phänomen des Westens bzw. Nordens mehr ist. Die Grundmuster der Konsumgesellschaft und der daraus resultierende Umgang mit Ressourcen sind ebenso in entwickelten Ländern Asiens und Lateinamerikas anzutreffen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang weniger eine territoriale Abgrenzung, als vielmehr das Aufzeigen vorhandener Konsummuster und deren Impakt.

Moderne Gesellschaften in diesem Sinne zeichnen sich durch eine hohen Grad an interner Pluralisierung und Individualisierung aus, wobei gleichzeitig Vergesellschaftungs- und Standardisierungsprozesse gerade durch diese Pluralisierung stattfindet [Reusswig et al. 2003, S.16].

Eine Neuausrichtung der modernen Konsumgesellschaft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist nur über eine Änderung der Lebensstile möglich [BUND/Misereor 1996].

Um über den Sinn und die Machbarkeit dieser Forderung sprechen zu können, bietet die moderne Lebensstilforschung die methodische und theoretische Grundlage [Reusswig et al. 2003, S.13].


2. Das Konzept Lebensstil

"Lebensstile sind gruppenspezifische Formen der individuellen Lebensführung und -deutung. Sie haben etwas mit Identität (persönlicher und gruppenspezifischer) zu tun: Durch unseren Lebensstil sagen wir, wer wir sind und als wer wir gelten wollen - und als wer nicht. Lebensstile verknüpfen soziale Ungleichheiten (Lage) mit Präferenzen (Werte, Einstellungen, Vorlieben) und Praktiken (Performanz). Lebensstile sind Produkte individueller Wahl unter gesellschaftlichen Randbedingungen" [Reusswig et al. 2003, S.14].

Abb.2
Lebensstilebenen
Eigene Darstellung
Datenquelle: nach Reusswig et al. S.14
Lebensstilebenen


2.1 Allgemeiner Begriff

Der Begriff kann unter anderem umgangssprachlich und soziologisch aufgefasst werden. Umgangssprachlich erscheint unter Lebensstil eine spezifisch wieder erkennbare Kombination von Präferenzen in Freizeit, Beruf und Familie, die die soziale Distanz zwischen den jeweiligen diesen Stil Pflegenden verringert. Dies bezieht sich auf Merkmale wie Wohnstil, Kleidung, Sprachgestus, Aufenthaltsorte [Wikipedia, 2006].




Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4 Projektstudie Rommelmühle
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen


2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung

In der Soziologie ist der Begriff des Lebensstils und die entsprechenden Forschungsgebiete die Reaktion auf in der Gesellschaft stattfindende Prozesse der sozialen und kulturellen Veränderung.
Die moderne Lebensstilforschung bezieht sich auch verschiedene Quellen und Grundlagen.

Die soziologische Ungleichheitsforschung begreift Gesellschaft als ein Geflecht ungleicher Beziehungen. Im klassischen Sinn bedient sich der Begriff "Schicht" und "Klasse", wobei diese Konzepte im einer Erosion [Hradil 1987] durch reale Veränderungen der Gesellschaftsbeziehungen unterworfen sind. "Milieu" und "Lebensstil" ergänzen diese. Spezifische Lebensstile konstituieren spezifische Milieus bzw. werden als distinktives Charakteristikum eines spezifischen Milieus betrachtet.

Pierre Bourdieu (1982) bezieht seine Theorie aus der sozialen Ungleichheitsforschung und der Kultursoziologie. Für ihn ist Lebensstil Bestandteil des "kulturellen Kapitals": Bedingt durch eine bestimmte Soziallage (Klassenlage) erzeugt der Habitus einen spezifischen Lebensstil, der sich in bestimmten kulturellen Praktiken äußert [nach wikipedia.de].
Die Kultursoziologie öffnet die Betrachtung für Aspekte der persönlichen Lebensführung und Wertvorstellung. Die Lebensführung und -deutung des Einzelnen wird Bestandteil der soziologischen Betrachtung der Wirklichkeit.
Ein noch weitgehend unbeachtetes Feld ist der Bereich der Wahlforschung, die im Zuge der zu beobachtenden Lösung fester Präferenzen nach neuen Wegen und Methoden der Beobachtung und Analyse von politischen und persönlichen Einstellungen sucht.

Eine weitere wichtige Quelle stellt die Marketing- und Medienforschung dar, die zum Teil sehr kleinräumliche und detaillierte Analysen vornimmt. Heute sind eine Vielzahl von Lifestyle-Typologien auf dem Markt, die von kommerziellen Markt- und Medienforschungsinstituten entwickelt und genutzt werden, um Marktsegmentierung und Zielgruppenanalyse für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (Autos, Luxusartikel, Zeitschriften, Fernsehsender, Banken, Versicherungen etc.) vorzunehmen [Reusswig et al. 2003, S.16].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Begriff Lebensstil im soziologischen Sinn als raum-zeitlich strukturierende Muster individueller Lebensführung verstanden werden kann, die von materiellen und kulturellen Möglichkeiten und den eigenen Werthaltungen abhängen [nach Kaltenborn 2000, Lüdtke 1995].


2.3. Systematische Einordnung

Eine Unterscheidung bei der soziologischen Behandlung von Lebensstil und Milieu verläuft zwischen Theorien, die Lebensstil eher als Ergebnis der sozialen Lage bzw. bestimmter sozialstruktureller Gegebenheiten ansehen, und Theorien, die stärker die Wahlelemente eines individuellen Lebensstils betonen.
Die einzelnen Aspekte der Betrachtung und Einflussfaktoren sind in Abb. 3 dargestellt. Wobei die Wechselbezüge zwischen Faktoren, die einen Lebensstil bilden, und die Gebiete, die vom Lebensstil beeinflusst werden, verdeutlicht werden.
Der Lebensstil beeinflusst Bereiche, die wiederum Stoffströme nach sich ziehen.
In diesem Kontext betrachtet kann die Frage, ob es sinnvoll ist die Änderung des westlichen Lebensstils zu fordern, tiefer gehend betrachtet werden.
Aus soziologischer Sicht ist es nicht sinnvoll von dem westlichen Lebensstil zu sprechen, da es dort gerade um die interne Differenzierung einer Population geht. Das Konzept Lebensstil ist eine Reaktion auf eine fortgeschrittene Pluralisierung der gesellschaftlichen Strukturen. [Reusswig et al. 2003, S.17]. Die Arbeiten von Sociovision und deren Sinusmilieus verdeutlichen dies auf struktureller und anwendungsorientierter Ebene.

Abb.3
Einflussfaktoren auf den Lebensstil und Wechselwirkungen
Eigene Darstellung
Datenquelle: nach Reusswig et al. S.79
und Gebhardt et al. S.12
Einflussfaktoren auf den Lebensstil und Wechselwirkungen

Gleichzeitig beziehen sich einige den Lebensstil des Einzelnen beschreibende Faktoren auf Gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen, die zwischen den Ländern sehr unterschiedlich sind. Hierzu müssen vor allem infrastrukturelle Ausstattung, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen gezählt werden. Auch diese basieren selbstredend auf materiellen Prozessen und implizieren dementsprechend Stoffströme und eventuell Belastungen, müssen also in den Diskurs um die Möglichkeit nach der Etablierung von nachhaltigen Konsummustern miteinbezogen werden.
In diesen Zusammenhang fällt der Begriff des westlichen Lebensstils und zeigt, dass dieser, wenn es um eine Neuorientierung hin zu mehr Nachhaltigkeit geht, er unterteilt und differenziert werden muss.

Abb.4
Sinusmilieus
Eigene Darstellung
Datenquelle: www.sociovision.de
Sinusmilieus


3. Das Konzept der Bedarfsfelder

3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen

Wie vorangehende Kapitel beschrieben, hat der Lebensstil des Einzelnen bzw. einer Gruppe Einfluss auf Entscheidungen, die materielle Prozesse nach sich ziehen. Es handelt sich hierbei nicht nur um Konsumentscheidungen, wo die Kausalität zwischen Entscheidung und Stoffstoffimplikation offen zu Tage tritt, sondern auch um die Wahl und Ausübung der Arbeit, die Ersparnisbildung, politische Entscheidungen und Rückbezüge über Werte und Einstellungen auf die Gesamtgesellschaft [Reusswig S.20].
Im Weiteren beschränkt sich die Betrachtung auf den Einfluss auf Konsumentscheidungen und deren Zustandekommen.

Um eine differenzierte Aussage über den Einfluss des Lebensstils auf Konsumentscheidungen treffen zu können, ist es wichtig Möglichkeiten der Messung und gegebenenfalls auch Quantifizierung zu finden.


3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung

"Obwohl das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung auf breite Zustimmung in Wissenschaft und Politik stößt, bleibt seine Umsetzung bislang häufig unklar. Neben den Produktionssektoren kommt dabei auch den Verbrauchern eine wichtige Rolle zu. Hier ist das Aufzeigen und Analysieren von konkreten Schritten auf dem Weg zu nachhaltigen Konsummustern besonders bedeutsam, da aufgrund des globalen Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung der Einzelne häufig Schwierigkeiten hat, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erkennen" [Gebhardt et al. S.5].


3.3 Bedarfs-, Handlungs- oder Bedürfnisfelder?

Im Zentrum der Betrachtung steht daher der Haushalt, da von dort alle wesentlichen Konsumentscheidungen getroffen werden und Konsumgüter zusammenlaufen [Gebhardt et al. S.13].
Als hilfreich hat es sich erwiesen Aktivitäten der Haushalte auf Handlungs-, Bedarfs- oder Bedürfnisfelder zu verteilen. Alle drei Begriffe finden bei den unterschiedlichen Autoren Verwendung.
Als Grundlage dient in diesem Bereich die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" (BUND/Misereor 1996), die die Haushaltsaktivitäten und die damit verbundenen Stoffströme und Belastungen in die Bedarfsfelder Wohnen, Ernährung, Freizeit, Gesundheit, Kleidung, Bildung, Gesellschaftliches Zusammenleben und Sonstiges aufteilt. Gebhardt et al. arbeiten mit den Handlungsfeldern Ernährung, sonstige Güter des täglichen Bedarfs (Kleidung, Gesundheit, Hygiene), Bauen, Renovieren & Wohnen, Mobilität und Freizeit & Urlaub.
Ziel dieser Aufteilungen ist es eine Identifizierung von Problembereichen zu ermöglich. Wo besteht Handlungsbedarf (Abb.5)?
Anhand der Unterschiedlichkeit der Aufzählungen zeigt sich die Problematik dieser Einteilungen. So identifiziert die BUND/Misereor Studie den Bereich Mobilität nicht als eigenes Bedarfsfeld, sondern teilt die Mobilitätsaufwendungen auf die Felder auf, für die die Verkehrsleistung erbracht wurde. Andere Autoren gehen einen anderen Weg und bezeichnen den Bereich der Mobilität als wichtiges eigenes Feld, um gerade die Bedeutung des Verkehrs in der Gesellschaft herauszustellen [Wolpensinger 2002, S.20 und Gebhardt et al. S.13].
Die Bedürfnisfelder können als Schnittstelle zwischen der materiellen Sphäre der Waren, Produkte und deren Stoffströme und der Ebene des Lebensstils. Wie bereits besprochen kann diese Beziehung nicht als lineares Entscheidungsdiagramm gelesen werden, dass also der Lebensstil die Bedürfnisse erzeugt und diese in Entscheidungen für Konsumgüter umgesetzt werden. Es muss vielmehr von wechselseitigen Rückbeziehungen ausgegangen werden. [Gebhardt et al. S.12]. (Abb.6)

Das Konzept der Bedürfnis- oder Bedarfsfelder geht davon aus, dass Bedürfnisse existiert und diese auf unterschiedliche Weise befriedigt werden. Diese Unterschiede sollen sichtbar gemacht und bewertet werden. Die Entstehung der Bedürfnisse und ihre dimensionale Unterscheidung finden keinen Niederschlag. Nach Meinung des Autors ist die Frage nach der Entstehung gerade im Zusammenhang der Frage nach Wegen zu nachhaltigen Konsummustern von großer Bedeutung. Eine Einbeziehung verschiedener psychologischer Motivationsmodelle scheint.
 
Systemüberblick - Einbettung der Haushalte Abb.5
Systemüberblick - Einbettung der Haushalte
Eigene Darstellung

Bedarfsfelder als Schnittstelle
Abb.6
Bedarfsfelder als Schnittstelle
Eigene Darstellung

4. Anwendungsstudien im Überblick

4.1 Quellen

Die bisher behandelten Fragen finden in diesem Kapitel ihre Anwendung im Einzelnen. Drei Arbeiten und Studien stellen sich auf unterschiedliche Weise und mit verschiedener Zielssetzung den Fragen der Operationalisierung von Nachhaltigkeitszielen, Analyse von Zustände und Schlussfolgerungen für Schritte zu mehr Nachhaltigkeit. Grundlegend ist die Betrachtung von kleineren Gemeinschaften bzw. Siedlungen sowie die Annahme, dass technische Effizienzsteigerungen alleine nicht ausreichen. Sondern dass vielmehr der Lebensstil der Haushaltsbewohner einen entscheidenden Einfluss auf die von den Haushalten in Gang gesetzten Stoffströme und Belastungen hat. Dies zu quantifizieren und zu messen ist das Ziel folgender Studien.


Studie 1:
Gemeinschaftliche Lebens- und Wirtschaftsweisen und ihre Umweltrelevanz, Karl-Heinz Simon et al., Kassel 2001

Studie 2:
Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit, Gebhardt et al.

Studie 3:
Ökobilanzierung von Siedlungen unter Berücksichtigung von Lebensstilaspekten am Beispiel einer Gartenstadt- und Wohnhöfesiedlung in Karlsruhe, Diplomarbeit von Holger Wolpensinger, Karlsruhe 2002


4.2 Die Studien im Überblick

4.2.1 Projektstudie Kassel

Die Projektstudie Kassel (Studie 1) hohes Augenmerk auf die soziale Seite des Problemfeldes. Welche Nachhaltigkeitspotentiale sind mit der bewussten Entscheidung für ein Leben in größerer Gemeinschaft realisierbar. Dabei interessieren vor allem auch Organisationsprinzipien, die es in Gemeinschaften leichter machen Nachhaltigkeitsziele konsequent zu verfolgen. Zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Gerätschaften, Räumen und Fahrzeugen. Dies ist auch außerhalb von Gemeinschaften möglich, aber interessant ist es, wenn diese in den "normalen" Alltag integriert sind und so verbindlicher sind.

Es geht also einerseits um die "klassischen" Innovationen in technischer und organisatorischer Hinsicht, andererseits -viel mehr noch- um eine grundsätzliche Veränderung der Lebensweise mit der bewussten Reduzierung des Konsums materieller Güter, der Rückbesinnung auf soziale Bezüge und der aktiven Einflussnahme auf Veränderungsprozesse [Simon et al. 2001, S.5].

Untersucht wurden für diese Fragestellung die gemeinschaftlichen Wohnprojekte Kommune Niederkaufung, das Ökodorf Sieben Linden und das Lebensgut Pommeritz. Wobei sich die Betrachtung auf die Bedarfsfelder Wohnen, Ernährung und Mobilität bezieht, da nach Einschätzung der Autoren auf diese drei Gebiete 70% umweltrelevanten Umsätze zuzuordnen sind [Simon et al., S.10].
Die Autoren betonen die Bedeutung der Mehrdimensionalität der Nachhaltigkeit und legen neben der Umweltrelevanz den zweiten Schwerpunkt ihrer Studie auf die Lebensqualität [Simon et al. S.7].
Untersucht werden ausschließlich die Auswirkungen eines besonderen Lebensstils, das Leben in bewusst gewählten und ökologisch orientierten Gemeinschaften. Nicht Betrachtet werden im Gegensatz zu Studie 3 die Motivationen und Einflussfaktoren für diese Art der Lebensgestaltung.


4.2.2 Projektstudie Rommelmühle

Im Rahmen des Forschungsvorhabens Projektstudie Rommelmühle (Studie 2) soll der Beitrag von innovativen Modellvorhaben zu nachhaltigen Konsummustern exemplarisch näher bestimmt werden und die daraus resultierenden Möglichkeiten zur Verallgemeinerung und Verbreitung von Schritten zur Nachhaltigkeit analysiert werden. Diese Untersuchungen werden für das im September 1998 eröffnete "Ökozentrum Rommelmühle" in Bietigheim-Bissingen durchgeführt.
Mittels sozialwissenschaftlicher und naturwissenschaftlich-technischer Analysen und Indikatoren soll untersucht werden inwieweit es im Modellprojekt gelingt die ökologischen, sozialen und wirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigkeit zu integrieren und so Schritte zu mehr Nachhaltigkeit im Konsum aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen nach der "internen Konsistenz" der Bewohner in ihrem Konsumverhalten, der Standpunkt im Vergleich zu Durchschnittshaushalten und die Rolle der Infrastruktur für den weiteren Prozess [Gebhardt et al. S.3].


4.2.3 Diplomarbeit Holger Wolpensinger

Einen anderen Weg geht Holger Wolpensinger in seiner Arbeit (Studie 3). Er stellt die Ökobilanz einer Neubausiedlung in den Mittelpunkt seiner Betrachtung und untersucht diese anhand von drei gedachten Varianten. Der Standard-Variante, die in ihren Ausformulierungen dem bundesdeutschen Schnitt entspricht, einer in allen Bereichen optimierten Best-Case-Variante und schließlich einem Worst-Case-Szenario. Zur Unterlegung dieser Szenarien bezieht er die Daten zur Ausformulierung aus verschiedenen Modellprojekten und statistischen Quellen [Wolpensinger 2002, S.5].
So gewinnt er Orientierungswerte, um einen Umweltentlastungseffekt berechnen und ermitteln zu können. Dabei werden unterschiedliche Handlungs- und Themenfelder miteinander verglichen.
Die Schwerpunkte liegen auf Bauen, Wohnen, Mobilität und Lebensstil. Wobei Wolpensinger den Aspekt Lebensstil weniger als ein Handlungsfeld übergreifendes Konzept versteht, als die Zusammenfassung der Themengebiete -Freizeit, Reisen, Ernährung- die vom Nutzer als Akteur bestimmt werden. Er versteht somit den Lebensstil in Abgrenzung zu technischen Maßnahmen der Effizienzsteigerung [Wolpensinger S.43]. Ziel ist es auf Siedlungsebene Optimierungspotentiale aufzuzeigen und im Hinblick auf ihre Realisierbarkeit zu bewerten.


 
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4 Projektstudie Rommelmühle
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen


4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen

Projektstudie Kassel: Gemeinschaftliche Lebens- und Wirtschaftsweisen und ihre Umweltrelevanz

4.3.1 Lebensstil - Intentional Communities

Bei den in der Studie untersuchten Projekten handelt es sich um so genannte intentional communities. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie bewusst gegründet und gewählt sind, die Mitgliedschaft beruht auf Freiwilligkeit. Es handelt sich um auf Dauer angelegte Konzepte, die auf Basis einer gemeinsamen oder solidarischen Ökonomie wirtschaften. [Simon et al. S.6]. In den meisten Fällen ziehen die Gemeinschaften weitergehende Absichten in ihre Agenda mit ein, wie die Etablierung von familienfreundlichen Nachbarschaftsstrukturen und eines ökologisch nachhaltigen Lebensstils.
Nach Angaben der us-amerikanischen Organisation Fellowship for Intentional Community sind mehr als die Hälfte solcher Gemeinschaften im ländlichen Raum zu finden. So auch die hier untersuchten Gemeinschaften.Sehr wenige Menschen leben in solchen Gemeinschaften, daher ist deren Effekt auf Stoff- und Energieumsätze verschwindend gering. "Interessant aber sind sie als Beispiel, als Experiment, wie es auch gehen könnte, welche Möglichkeiten in dieser Lebensweise unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten stecken und welche Komponenten dieser Lebensweise unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten stecken und welche Komponenten dieser Lebensweise bereits heute Eingang in eine gesellschaftliche Praxis des Mainstreams der Industriegesellschaft Deutschland finden können." [Simon et al. S.7]


4.3.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Bedarfsfelder

Die im Weiteren detaillierter beschriebenen Schritte und Ergebnisse führen zu dem Ergebnis, dass diese Wohnformen mit ihren Struktur- und Organisationsentscheidungen durchaus als Nachhaltigkeitsmodelle verstanden werden können. "Da in den Gemeinschaften ökologisch verträglichere Verhaltensweisen fest implementiert zu sein scheinen. Es wird eine Verbindlichkeit quasi durch "Veralltäglichung" hergestellt, d.h. Handlungsweisen, die in anderen Lebensumständen jeweils neu entschieden werden müssen, gehören zur Lebensweise fest dazu" [Simon et al. S.25].

Wichtig ist, dass die Entscheidungen und Verhaltensweisen durch individuelle und strukturelle Aspekte getragen werden. Was den bereits im Kapitel Lebensstilkonzepte angesprochenen Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Lebensstil verdeutlicht.


4.3.3 Schwerpunkt Umweltrelevanz

Für den Schwerpunkt Umweltrelevanz wurden detaillierte Erhebungen durchgeführt und die Umweltbelastungen mittels des zentralen Indikators Treibhausgasemissionen quantifiziert. Eine Schwierigkeit hierbei ist, dass es bisher kaum möglich ist anzugeben welche Menge an Emissionen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten akzeptabel ist. Dies ist jedoch für eine Identifizierung und Bewertung von Problembereichen sehr wichtig [Simon et al. S.11].

Eine Möglichkeit ist es über relationale Vergleiche eine Bewertung vorzunehmen.


 
4.3.4 Das Umweltraumkonzept

Einen anderen Ansatz verfolgt das "Umweltraum Konzept" [J.B. Opschoor 1987], dass davon ausgeht, dass das Ökosystem Erde nur eine gewisse Menge an Belastungen pro Periode aufnehmen kann, ohne irreversible Schäden zu erleiden. Diese Menge wird näherungsweise unter Einbeziehung verschiedener Methoden geschätzt und so ergibt sich eine Belastungsmenge, die theoretisch jedem Erdenbürger pro Periode zur Verfügung steht [http://reports.eea.eu.int/92-9167-078-2/en/page003.html].

"Für den Indikator "Treibhausgasemission" gibt es nun in der Tat Berechnungen, die die Gesamtmenge an Treibhausgasemissionen bestimmen, die pro Jahr ohne inakzeptablen Temperaturanstieg erlaubt sind. Unter Verwendung der derzeitigen Weltbevölkerungszahl liegt dieser Wert heute bei 1,75 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr" [Simon et al. S.11]. Dieser Wert wird in dem Ergebnis der Studie als Vergleichsniveau miteinbezogen, um so die Ergebnisse global einordnen zu können.


4.3.5 Umgang mit den Bedarfsfeldern

Die Analyse der Stoff- und Energieumsätze beschränkt sich für das Bedarfsfeld Wohnen auf die Bereitstellung von Strom, Raumwärme und Warmwasser sowie den Wasserverbrauch und den Flächenbedarf.
Im Bedarfsfeld Ernährung war es das Ziel die gesamten Aufwendungen für die Nahrungsmittelbereitstellung zu erfassen, also angefangen bei der Landwirtschaftlichen Produktion und den Weg der Nahrungsmittel bis zur Zubereitung zu verfolgen. Verfolgt wird hier das Verursacherprinzip. Es findet eine Unterscheidung in Ernährungsweise (Mischkost, vegan, vegetarisch), Versorgungssystem (lokal, regional) und Bereitstellung (im Haushalt, außer Haus statt).
Im Bedarfsfeld Mobilität wurde besonderen Wert auf Fahrtzweck und genaue Aufteilung auf Verkehrsmittel gelegt [Simon et al. S.9] (Abb.7).

Die Varianten der Wohnraumbereitstellung unterscheiden sich sehr. Sie reichen von einem zusammenhängenden, energetisch sanierten Gebäudekomplex mit Nebengebäuden (Kommune Niederkaufung), über neugebaute Niedrigenergiehäuser und verstreute Bauwägen (Ökosiedlung Sieben Linden) hin zu einem wärmetechnisch nicht sanierten Altbau im Lebensgut Pommeritz.
Dementsprechend unterscheiden sich die Energieaufwendungen beträchtlich. Dennoch zeigen sich zum Teil erhebliche Nachhaltigkeitserfolge (Abb. 7).

 
Spezische Gesamtemissionen im Vergleich für das Bedarfsfeld Wohnen
Abb.7
Spezische Gesamtemissionen im Vergleich für das Bedarfsfeld Wohnen
Eigene Darstellung
Datenquelle: Simon et al.

Bedarfsfeld Wohnen

Zusammenfassend für das Feld Wohnen wird zum Ergebnis gekommen, dass es in den untersuchten Gemeinschaftswohnformen erheblich leichter ist Nachhaltigkeitserfolge zu erzielen, da im Sinne des "economy of scale"- Arguments es erheblich leichter ist das Potenzial von sinnvollen Technikvarianten, z.B. der Einsatz einer zentralen Holzheizung in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex, Einsatz eines Blockheizkraftwerks, Nutzung von Solarenergie etc., einzusetzen. Aufgrund der gewählten Lebensform ist eine andere Einstellung an den Wohnkomfort zu beobachten [Simon et al. S.16].


 
Bedarfsfeld Ernährung

"Im Bereich Ernährung kann festgehalten werden, dass unter Verwendung des gewählten "Nachhaltigkeitsindikators" Treibhausgasemissionen jeweils tierische Produkte einen besonders hohen Stellenwert haben. In der Bilanz zeigt sich die Dominanz der Molkereiprodukte und des Fleischkonsums. Die Unterschiede, die über Ökolandbau, kurze Transportwege, Zubereitung in der Großküche ins Spiel kommen, in der Gesamtbilanz vergleichsweise gering zu Buche schlagen."

Da die Bewohner im Schnitt im Vergleich zum Durchschnitt einen reduzierten Fleischverbrauch aufweisen, zum Teil vegetarisch oder vegan leben, sind die Belastungen deutlich niedriger. Unterschiede in der Wahl des Versorgungssystems und die Tatsache, dass auf ökologischen Anbau Wert gelegt wird, machen sich ebenfalls bemerkbar [Simon et al. S.18].


Bedarfsfeld Mobilität

Im Bedarfsfeld Mobilität zeigt die Studie, dass, obwohl die insgesamt zurückgelegten Kilometer sich unerheblich vom Bundesdurchschnitt unterscheiden, die Projekte doch eine erheblich reduzierte Treibhausgasbelastung aufweisen. Auch hierbei wirken sich Entscheidungen aus, die sich in einer Gemeinschaft leichter in die alltägliche Praxis überführen lassen, wie die Abstimmung bei der Nutzung von Fahrzeugen, die höhere Belegung der vorhandenen Fahrzeuge, der Einsatz von Biotreibstoffen und Netzkarten, die zur freien Verfügung stehen.

Erheblich Unterschiede zeigen sich auch in der Analyse der Fahrzwecke. So werden wenige Fahrten zum Zweck der Arbeit unternommen, da das Leben und Arbeiten weitgehend integriert sind. Demgegenüber werden relativ viele Freizeitfahrten unternommen.

Interessant ist, dass technisch-organisatorische Maßnahmen (s. o.) trotz relativ hoher Mobilitätsnachfrage zu deutlich niedrigeren Umweltbelastungen gegenüber dem Bundesdurchschnitt führen. [Simon et al. S.19]


4.3.6 Schwerpunkt Lebensqualität

Der Operatorenansatz

"Umweltbelastungen, die mit Stoff- und Energieumsätzen korreliert sind, reichen nicht aus um den Nachhaltigkeitsstatus zu bestimmen. Denn in einer solchen Betrachtung bliebe außen vor, dass ein nicht unerheblicher Anteil an der Bevölkerung gezwungenermaßen auf einem niedrigen Konsumniveau lebt und dies kaum als Vorbild für eine nachhaltige Gesellschaft tauglich wäre. Es muss also darum gehen, auch die Zufriedenheit mit der eigenen Lebensführung, mit den Möglichkeiten, die die aktuelle Situation bietet, in die Analyse einzubeziehen" [Simon et al. S.21].

In dieser Studie wird versucht über den empirischen Operatorenansatz die Lebensqualität zu messen, um so die ökologische Dimension mit der sozialen Situation in Beziehung setzen zu können. Die Lebensqualität wird operationalisiert.

"Dem Operatoren- oder Leitwertansatz von Hartmut Bossel liegt die Idee zugrunde, dass es eine abgeschlossene Menge an "allgemeinen Maßstäben" oder "Leitwerten" gibt, gegen die soziale Einheiten nicht auf Dauer verstoßen können, jedenfalls dann nicht, wenn ihre Lebens- und Entwicklungsfähigkeit erhalten bleiben soll" [Simon et al. S.21].

Bei den Dimensionen handelt es sich übergeordnet um die Kategorien der physischen und psychische Existenz- und Reproduktionsbedingungen, der Effizienz, Handlungsfreiheit, Sicherheitsempfinden, Wandlungsfähigkeit und Koexistenz.
Die Ausformulierung der Aspekte der einzelnen Kategorien muss je nach Projekt vorgenommen werden. Ein Beispiel hierfür zeigt die Tabelle, wie sie in der Studie verwendet wurde.

Die Wertebelegung der einzelnen Kriterien wurde in der Projektstudie mittels Fragebögen erhoben und zur Vergleichbarkeit zwei Lebensweisen gegenübergestellt, das Leben in einer größeren Gemeinschaft und Leben in einem Einzelhaushalt. Eine Übersicht der Ergebnisse zeigt Abb. 8.
Abb.8
Unterschiedliche Orientorenbelegung: Innere Linie Einzelhaushalte,
äußere Linie Gemeinschaften
(höhere Werte bedeuten mehr Nachhaltigkeit)
Quelle: Simon et al. 2004, S.23

Unterschiedliche Orientorenbelegung


4.4 Projektstudie Rommelmühle: Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit, Gebhardt et al.

4.4.1 Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, wie schwierig es nachhaltige Konsummuster zu etablieren. In der Schlussbetrachtung erwähnen die Autoren zwar, dass einige Schritte Richtung Nachhaltigkeit aufgezeigt werden können, dass aber darauf kein Muster oder Trend abgeleitet werden kann [Gebhardt et al. S.211].
Dennoch ist diese Studie vor allem im Hinblick auf die angewandte Methodik, die verwendeten Konzepte und ihre umfassende Betrachtungsweise des Problemsfeldes sehr interessant und hilfreich. Im Folgenden soll daher der Schwerpunkt der Darstellung auf die Methode, weniger die Ergebnisse gelegt werden. Weitere Überlegungen aus dieser Studie werden im Kapitel "Wege zu nachhaltigen Konsummustern" besprochen.


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4 Projektstudie Rommelmühle
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen

4.4.2 Indikatorensystem

"Gemäß den Aussagen der Commission for Sustainable Development der Vereinten Nationen (CSD 1994) sind Nachhaltigkeitsindikatoren quantitative Größen zur Beschreibung und Bewertung der Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft. Sie dienen politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit als Wegweiser über den Zustand und den Trend des globalen Ökosystems, der natürlichen Ressourcen, der Schadstoffbelastung und der sozioökonomischen Situation. Nachhaltigkeitsindikatoren sollen Antwort auf die Frage geben, ob die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit geht oder ob Handlungsbedarf besteht" [Gebhardt et al. S.10].
Auf dieser Grundlage wird in der Studie ein Indikatorensystem verwendet, dass die in Abb.3 im Kapitel Lebensstilkonzepte gezeigten Aspekte berücksichtigt und quantifizierbar machen soll.

Die Autoren schlagen folgendes Indikatorensystem vor:

Belastungsindikatoren:
ökologische, ökonomische bzw. soziale Relevanz der Ausstattung, des Nutzungsverhaltens und des sonstigen Güterkonsums

Verhaltensindikatoren:
Ausstattung der Haushalte mit langlebigen Gütern, Nutzungsverhalten der Individuen, sonstiger Güterkonsum

Einstellungsindikatoren:
Wertorientierungen, allgemeine Einstellungen, spezifische Einstellungen, Wissen, Verhaltensintentionen.

Sozioökonomische Indikatoren (Indikatoren der individuellen Lebenslage):
Haushaltsgröße, Bildungsstand, Alter, Einkommen, Wohnverhältnisse, Pkw-Verfügbarkeit.

Umfeldindikatoren (Externe Reaktionsindikatoren):
Veränderungen in der Gesellschaft (Zeit, Infrastruktur, Angebote) und im sozialen Umfeld.

[Gebhardt et al. S.12]
Weiter schlagen die Autoren vor eine Strukturierung der Indikatoren nach Handlungsfeldern vorzunehmen und für jedes Handlungsfeld entsprechende Indikatoren dieser Kategorien zu definieren.
Dieses System trägt der Tatsache Rechnung, dass der Konsum in ein komplexes System aus Verhaltenseinflüssen, Motivationen und Begrenzungen eingebettet ist. [Gebhardt et al. S.11]
Am Beispiel der Indikatoren für das Handlungsfeld Freizeit wird deutlich, wie eine Konkretisierung der Indikatoren zu verstehen ist. (Abb.9)
In der empirischen Evaluierung der Bewohner und Mitarbeiter des Ökozentrums wurden die Wertbelegungen der Indikatoren ermittelt.
Erhebungen erfolgten für die Aspekte Einstellung und allgemeine Werte, Motivation für den Einzug und Verhaltensweisen bei Konsumentscheidungen über Fragen nach Produktwahl verschiedener Bereiche.
Weiter wurde die sozioökonomische Situation der Teilnehmer der Befragung ermittelt. In einem weiteren Schritt erfolgte die Kategorisierung der Bewohner und Mitarbeiter über das Konzept der pro- und postmateriellen Wertehaltung, um Rückschlüsse zu bekommen, ob die Einstellung des Einzelnen einen unmittelbaren Zusammenhang mit den getroffenen Konsumentscheidungen aufweist.

Nachhaltigkeitsindikatoren für den Bereich Freizeit Abb. 9
Nachhaltigkeitsindikatoren für den Bereich Freizeit
Quelle: Gebhardt et al. S.139


4.4.3 Das Konzept pro- und postmaterielle Wertorientierung

Das Konzept der pro- und postmateriellen Wertorientierung basiert auf der These der "Stillen Revolution" von Inglehart (1977), der davon ausging, dass ein Wandel von materialistischen zu post-materialistischen Wertehaltungen stattfindet. Da dieser Wandel nicht nachgewiesen werden konnte, entwickelte Scherhorn (1994) das Konzept weiter, er geht davon aus, dass unterschiedliche Wertorientierungen auch nebeneinander koexistieren können. [Gebhardt et al. S.24]. Die Einstellung wird über Befragungen und entsprechenden Indikatoren zu den Gebieten Naturverträglichkeit, Sozialverträglichkeit und Gütergebundenheit ermittelt.


4.4.4 Vergleich von Motivation und realisierten Verhaltensweisen

Ein wichtiger Schritt der empirischen Evaluierung scheint der Vergleich zwischen beabsichtigter Verhaltensänderung und realisierter Verhaltensänderung zu sein. [Gebhardt et al. S.64 ff]
Hier haben die Autoren versucht zu ermitteln in welchem Zusammenhang die Motivation zum Einzug, das erwartete Verhalten und das tatsächlich realisierte Verhalten zusammenhängen.

Im Ergebnis zeigt sich hier, dass mit der Entscheidung zum Einzug, die auch von ökologischen Aspekten maßgeblich mitgeprägt wurde, eine hohe Erwartung einherging, die Verhaltensweise ökologischer zu gestalten. Wobei sich im Vergleich des tatsächlichen Kaufverhaltens über zwei Perioden hinweg nur leichte Verschiebungen -positive wie negative- feststellen lassen. [Gebhardt et al. S.77]


4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger

4.5.1 Methoden und Systematik im Umgang mit Bedarfsfeldern

Im Zentrum der Diplomarbeit von Wolpensinger (2002) steht die Ökobilanzierung einer Neubausiedlung. Er greift dabei methodisch auf die Regionale Stoffhaushaltsanalyse von Baccini (1996) zurück. [Wolpensinger 2002, S.19]

Ausgehend vom Entwurf einer Siedlung identifiziert er unterschiedliche Akteure, die auf die Planung, den Bau und die Nutzung entscheidenden Einfluss haben. Siedlungsplaner, Nutzer, Unternehmer und öffentlicher Hand. Die weitere Untergliederung folgt akteurorientiert, um Verantwortlichkeiten aufzeigen zu können.
Die Untergliederung orientiert sich nun ihrerseits an den Bedarfsfeldern von BUND/Misereor (1996), erweitert um das Feld Mobilität.
Dem Akteur Planer ist der Themenbereich Siedlung und dem Akteur Nutzer der Themenbereich Lebensstil zugeordnet [Wolpensinger S.43].
Der Bereich der Siedlung beinhaltet somit die Felder Gebäude, Ver- und Entsorgung, Mobilitätsinfrastruktur und -nutzung. Die vom Nutzer bestimmten Felder Reisen, Ernährung, Freizeit und Bekleidung werden dem Bereich Lebensstil zugeordnet (Abb.10).

 
Strukturdiagramm der Bereich und Themenfelder Abb.10
Strukturdiagramm der Bereich und Themenfelder
Eigene Darstellung
Datenquelle: Wolpensinger S.44-45

Die Bilanzierung erfolgt über die Indikatoren Primärenergiebedarf und CO2, ermittelt werden die Größen über Prozesskettenanalyse und Ökobilanzierungstools [Wolpensinger S.22].
Der CO2-Indikator beschreibt den Einfluss häufig vorkommender Substanz auf den Treibhauseffekt auf Grundlage der Wirkung von CO2 [Wolpensinger S.87].


 
4.5.2 Szenarien und Bedarfskomponenten

Im weiteren werden in Kürze und unvollständig die Ausgestaltungen der Szenarien Worst-Case und Best-Case, mit denen Wolpensinger ein Optimierungspotential auszeigen will, beschrieben, um darzulegen, wie sich die Bedarfsfelder in Komponenten und Bausteine unterteilen lassen. Die Angaben sind direkt aus der Arbeit übernommen.


Worst-Case

Gebäude:
Einfamilienhäuser, dadurch größere Gebäudehülle und höheren Heizenergiebedarf. Wohnfläche und Materialien wie bei Standard. Heizenergiebedarf 93 KWh/m²a (deutscher Schnitt 250KWh/m²a)

Ver- und Entsorgung:
Energieversorgung: Braunkohleheizung und Stromversorgung aus dem Netz (deutscher Strommix)
Wasser: Hoher Wasserverbrauch von 254 l/EW*d und Entsorgung über eine zentrale Kläranlage
Erschließung: Komplett versiegelte Wege, Wohnhöfe und Plätze mit Betonpflaster

Mobilität:
Stellplatzkennzahl von 2,5 Pkw/Wohneinheit
Tiefgarage mit 382 Stellplätzen
In 80 Jahren 2240 Mittelklasse Pkw und 499 Mercedes mit einer Fahrleistung von 130 000 km bzw. 160 000 km
25 000 km/P*a , wobei 90% eigener Pkw und 10% ÖPNV
Pkw-Besetzung vom 1,2 (deutscher Schnitt)
Treibstoffverbrauch von 8,0 l

Reisen:
Es wird von den Jahresreisekilometer des Hamburger autofreien Wohnprojektes "Stadthaus Schlumpp" ausgegangen, deren Bewohner nach Angaben
von SCHEURER 1998 mit 21.292 km besonders Flugreisefreudig waren (Vergleich Bundesschnitt: 3.366 km/Kopf*a 1999.

Ernährung:
Hohes Maß an TK-Kost. Konsum von Fleisch- und Milchprodukten ist überdurchschnittlich hoch.
Obst aus Übersee, Gemüse aus energieintensivem Glashausanbau

Bekleidung:
35 kg Kleidung pro Jahr (23 kg Schnitt)

sonstiger Privater Konsum:
billige Wegwerfartikel und überdurchschnittlich hoher Erwerb von Konsumgütern


Best-Case

"Bei der Best-Case-Variante handelt es sich um eine (energie-) ökologisch optimierte Variante, die sich an realisierten Modellprojekten orientiert [...]. Anhand der Best-Case-Variante soll ein heute technisch erreichbarer Primärenergieaufwand für eine Siedlungsweise berechnet werden" [Wolpensinger S.38].

Mobilität:
0,2 Stellplätze pro Wohneinheit
Car-Sharing Angebot mit 3-Liter Autos und Mittelklasse-Pkw
9000 gefahrene Kilometer/a*P
60% ÖPNV und 40% Car-Sharing
Pkw Besetzung 1,2
Treibstoffverbrauch mit 0,4 bzw. 8,0 l pro 100 km


Reisen:
Zugreisen im Radius von ca. 1000 km

Ernährung:
Regional, saisonal, ökologisch
z. T. vegetarisch
Eigenproduktion

Viel Fahrrad fahren


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4 Projektstudie Rommelmühle
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen
Ergebnisse der Ökobilanzen der Szenarien im Vergleich Abb.11
Ergebnisse der Ökobilanzen der Szenarien im Vergleich
Eigene Darstellung
Datenquelle: Wolpensinger S.49 ff.
Bewertung

Die Auswertung der Ergebnisse der Ökobilanzen der einzelnen Szenarien führt zu dem Ergebnis, dass im Vergleich der Worst-Case-Variante zur Best-Case-Variante eine Reduzierung der Emissionen um Faktor 10 zu erreichen wäre [Wolpensinger S.47 und S.51]. Wobei deutlich wird, dass die größten Optimierungspotentiale im Themenbereich Lebensstil zu finden sind (Abb.11).

Im Vergleich mit den Studien 1 und 2 zeigt aber, dass dieser Wert mehr theoretischer Natur ist. Die dort untersuchten existierenden Projekte zeigen, dass in allen Bereichen von einer Kombination Best-Case-Worst-Case ausgegangen werden kann.

Nach meiner des Autors zeigt Wolpensinger in seiner Arbeit technische Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und zeigt ökologisch-optimierte Verhaltensweisen der Nutzer auf. Er geht nur bedingt auf die Frage ein, wie diese Verhaltensweisen tatsächlich etabliert werden können.
 


5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit

5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse

Eine Zusammenfassende Betrachtung der im vorigen Kapitel beschriebenen Studien führt zur Frage, wie Entscheidungen und Verhaltensweisen zustande kommen. Nur so kann eine Annäherung an die Problematik gefunden werden, warum nachhaltige Konsummuster trotz entsprechender Einstellung der Individuen und vorhandener Infrastruktur nur bedingt Einzug in alltägliches Verhalten finden. [vgl. hierzu Gebhardt et al. S.211]

"Die bisherige Forschung weist überwiegend darauf hin, dass vor allem die emotionale Betroffenheit, z. B. das Erleben einer Bedrohung, verhaltensprägend wirkt, dass aber rationale Einsicht (also die kognitive Komponente) nicht unbedingt zu ökologischer Handlungsbereitschaft führt. Nach herrschender Meinung (z. B Preisendörfer 1999) gibt es kaum eine Korrelation zwischen den Umweltkenntnissen und dem Umwelthandeln der Bürger" [Gebhardt et al. S.30].


5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche

Eine Möglichkeit die Diskrepanz zwischen als richtig erkannten Verhaltensweisen und tatsächlichem Verhalten zu erklären bietet die Low-Cost-Hypothese (Diekmann, Preisendörfer 2001). Diese besagt kurzgefasst, dass Menschen sich nur solange ihrem Umweltbewusstsein entsprechend verhalten, wie damit nur geringe Kosten verbunden sind.

Die Low-Cost-Hypothese kann vor allem Verhaltensweisen erklären, die direkt mit einer Wahlsituation und einer bewussten Entscheidung verbunden sind. Sie greift aber zu kurz, wo eine Abwägung aus Gewohnheit gar nicht stattfindet. Dies ist vor allem bei alltäglichen Handlungen zutreffen.
Weitere Ursachen für ein nicht-umweltgerechtes Verhalten lassen wie folgt identifizieren:

"Die Einbettung des Verhaltens in den persönlichen Lebensstil (Es ist "in", in die Karibik zu fliegen.); das Streben nach Wohlbefinden (Im Auto fährt es sich angenehmer als in öffentlichen Verkehrsmitteln. Man möchte auch im Winter frisches Obst essen oder bevorzugt das angenehme Baden anstelle des Duschens.); die Routinisierung von Alltagshandeln (Es werden immer wieder die gleichen Produkte gekauft.); ein Dilemma zwischen Normen und persönlichen Interessen (Fahren alle wie vorgeschrieben Tempo 100, hat derjenige, der sich nicht daran hält, freie Bahn)."

Empirische Studien zu den Motiven des Umweltverhaltens legen nahe, das jeweils in Frage stehende Verhalten im Detail zu untersuchen und nicht pauschal eine überall wirksame Ursache zu vermuten [Kuckartz 2005].


 
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag

Die in der Projektstudie Kassel (Simon et al. 2001) untersuchten Lebensgemeinschaften machen diesen Zusammen sehr deutlich. Die erreichten Erfolge in Richtung nachhaltiger Konsummuster konnten vor allem auch deswegen erzielt werden, weil ökologische Verhaltensweisen in den Alltag bewusst integriert wurden und so eine Habitualisierung hin zur vollständigen Integration in den "normalen" Alltag erreicht werden konnte. [Vgl. Simon et al. S.25ff]. Müssen diese Entscheidungen jeden Tag neu getroffen werden, so fällt es schwer sie in die Alltagsroutine aufzunehmen [Vgl. Gebhardt et al. S.65 ff].


Politik der Lebensstile

Anbetracht dieser Schwierigkeiten schlagen die Autoren Reusswig, Gerlinger, Edenhofer in ihrer Studie "Lebensstile und globaler Energieverbrauch - Analyse und Strategieansätze zu einer nachhaltigen Energiestruktur" (2003) eine "Politik der Lebensstile in der Sustainable Transition" [Reusswig et al. 2003, S.77] vor.

Im Grundsatz besagt diese, dass Lebensstiländerungen müssen in einem gesellschaftlichen, strukturellen, technologischen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld stattfinden. Sonst besteht keine Chance, dass sie Massenphänomene werden.

Wichtig ist den Autoren, dass es sich nicht um ein direktes politisches Eingreifen in die Lebensstile handelt, sondern um eine bewusste Gestaltung, vom welchen gesellschaftlichen Ort auch immer. "Es kommt uns hier vielmehr auf den Aspekt der bewussten Gestaltung und Änderung an, gleich, von welchem gesellschaftlichen Ort die Veränderung ausgeht. Es ist deutlich, dass Lebensstile so stark in die individuelle und kollektive "Textur" einer Gesellschaft verwoben sind, dass das Projekt ihrer externen, politischen Gestaltung ohne Rückbindung an Motive, Probleme, Wünsche der Beteiligten selbst kaum die gewünschten Effekte - wenn nicht Reaktanz - hervorbringt. Aber dabei handelt es sich auch nicht um den einzig möglichen Weg."

Politik der Lebensstile findet auch da statt, wo Einzelne oder Gruppen freiwillig - etwa aus Einsicht in die negativen Folgen des eigenen Tuns oder aus einer Änderung ihrer Präferenzen heraus - ihren bisherigen Lebensstil ändern und dies mit einer Erhöhung der (subjektiv wahrgenommenen) Lebensqualität einhergeht" [Reusswig et al. S.77].
Als Beispiel hierfür können die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen "intentional communities" gesehen werden.


 
6. Quellen

Karl-Heinz Simon, Alexa Matovelle, Dagmar Fuhr (Wissenschaftliches Zentrum für Umweltsystemforschung, Universität Kassel), Klaus-Peter Kilmer-Kirsch (Kommune Niederkaufungen) und Peter Dangelmeyer (Kommune Waltershausen), Zusammenfassender Endbericht zum Vorhaben «Gemeinschaftliche Lebens- und Wirtschaftsweisen und ihre Umweltrelevanz», Kassel 2004

B. Gebhardt, A. Reichert, C. Weber, R. Krüger, T. Marheineke, A. Voß, K. Haußer, S. Schrödl, A. Siebentritt-Schüle, G. Sieglen, G. Scherhorn: Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit

Holger Wolpensinger: Ökobilanzierung von Siedlungen unter Berücksichtigung von Lebensstilaspekten am Beispiel einer Gartenstadt- und Wohnhöfesiedlung in Karlsruhe, Karlsruhe 2002

Dr. Fritz Reusswig, Katrin Gerlinger, Dr. Ottmar Edenhofer: Lebensstile und globaler Energieverbrauch - Analyse und Strategieansätze zu einer nachhaltigen Energiestruktur, Berlin/Heidelberg 2003

Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Zur Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982

Pierre Bourdieu: Praktische Vernunft, Zur Theorie des Handelns, Frankfurt am Main 1994

C. Weber und A. Perrels: Modelling lifestyle effects on energy demand and related emissions. Energy Policy, 2000

CSD - Commission on Sustainable Development: Elements for an International Work Programme on Sustainable Production and Consumption, Konferenzpapier Oslo 1994

Statistisches Bundesamt: Leben und Arbeiten in Deutschland. Mikrozensus 2000. Statistisches Bundesamt 4/2001, Wiesbaden 2001

P. Preisendörfer: Umwelteinstellungen und Umweltverhalten in Deutschland. Opladen 1999

R. Inglehart: The Silent Revolution: Changing Values and Political Styles Among Western Publics, Princeton 1977

BUND/Misereor : Zukunftsfähiges Deutschland. Basel, Berlin, Boston 1996

Wikipedia.org (2006): http:\\de.wikipedia.org/wiki/Lebensstil (URL am 28.02.2006)

Wikipedia.org (2006): http:\\de.wikipedia.org/wiki/Motivation (URL am 28.02.2006)

Udo Kuckart: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten, in Informationen zur politischen Bildung Heft 287 "Umweltpolitik"

Joachim Radkau: Natur und Macht, München 2000, S. 299 ff.
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Zusammenfassung
1.2 Die moderne Konsumgesellschaft
1.3 Der westliche Lebensstil 1
2. Das Konzept Lebensstil
2.1 Allgemeiner Begriff
2.2 Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung
2.3 Systematische Einordnung
3. Das Konzept der Bedarfsfelder
3.1 Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen
3.2 Notwendigkeit der Operationalisierung
3.3 Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder
4. Anwendungsstudien im Überblick
4.1 Quellen
4.2 Die Studien im Überblick
4.3 Methoden und Ergebnisse im Einzelnen
4.4 Projektstudie Rommelmühle
4.5 Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger
5. Schritte zu mehr Nachhaltigkeit
5.1 Strukturen der Entscheidungsfindung - Hindernisse
5.2 Die Low-Cost-Hypothese und weitere Erklärungsversuche
5.3 Notwendigkeit der Integration in den Alltag
6. Quellen