Abwasser

Referenten:   Markus Bondzio, Thomas Emslander, Jenny Katholy, Sebastian Krüger,
Achille Simo



 
8. Systemanalyse


8.1 Unterscheidung der Stoffströme

Es gibt zwei verschiedene Arten von Stoffströmen, die für die weitere Analyse und Bewertung der Abwasserreinigung betrachtet werden müssen.

Als erstes die Stoffströme, die im direkten Zusammenhang mit Abwasserbehandlung, also hier hauptsächlich der Reinigung des Abwassers, stehen. Diese lassen sich mit Zahlen relativ gut belegen und werden später anhand des Beispiels Klärwerk Ruhleben genau betrachtet.

Die zweite Art von Stoffströmen sind die sogenannten "Grauen Energien" bzw. "Ökologischen Rucksäcke", welche nicht direkt mit dem System in Verbindung gebracht werden.


8.2 Ökologische Rucksäcke

Die Grauen Energien des Abwassersystems ergeben sich aus der Betrachtung der Lebenszyklen der baulichen und technischen Anlagen. Dabei werden diese Stoffströme analysiert und bewertet, welche zur Erstellung, Nutzung, Erneuerung und Entsorgung der Gebäude und Maschinen nötig sind.

Aufgrund der Tatsache, dass das Berliner Abwassersystem über nun mehr als hundert Jahre gewachsen ist, kann man keine genaue qualitative geschweige denn quantitative Betrachtung mehr vornehmen. Die meisten Daten der Kosten und Materialien, die zur Entstehung des heute existierenden Abwassersystems, bzw. hier des Klärwerks, benötigt wurden, lassen sich nicht mehr beschaffen. Außerdem wäre es schwierig, für den Vergleich der Daten von vor hundert Jahren mit den heutigen Zahlen einen sinnvollen Vergleichsmaßstab zu finden.

Auch die Analyse der heutigen Daten wirft enorme Schwierigkeiten auf, da sich für die Lebenszyklen der verschiedenen technischen und baulichen Anlagen völlig verschiedene Zeiträume ergeben, da Gebäude eine andere Nutzungsdauer haben als Maschinen.

Auch wird die Frage aufgeworfen, welche Zeitspanne für die einzelnen Anlagen in die Bewertung eingebracht wird, weil man das genaue Datum der Entsorgung jetzt noch nicht hervorsehen kann. Man kann also erst einmal nur den Abschreibezeitraum oder die vorgesehene Laufzeit betrachten, wird jedoch die tatsächliche Lebensdauer nicht berücksichtigen können.

Aufgrund dieser Problematik haben wir die ökologischen Rucksäcke nur als einfaches Schema dargestellt, ohne eine qualitative bzw. quantitative Bewertung vorzunehmen.

Inhaltsverzeichnis

  1.   Einleitung
  2.   Historischer Hintergrund
in Europa/Berlin
  3.   Vorschläge zur Lösung
der Abwasserfrage
  4.   Die Radialsysteme
  5.   Das Berliner Kanalsystem
  6.   Das Berliner Abwassersysteme
im Schema
  7.   Klärwerk Ruhleben
  8.   Systemanalyse
  9.   Fazit
10.   Quellen
Ökologische Rucksäcke Abb. 35
Ökologische Rucksäcke

Quelle: Eigene Darstellung


8.3 Systemanalyse Klärwerk Ruhleben

Für die Darstellung des Metabolismus der Stadt Berlin im Versorgungssektor Abwasserbehandlung wurde hier als Systemgrenze das Klärwerk Ruhleben ausgewählt. In der Systemanalyse wird gezeigt, welche Stoffflüsse bewegt werden, von wo nach wo sie fließen und wie sie sich im Laufe der Behandlung verändern.

Das System Klärwerk Ruhleben teilt sich in drei Subsysteme, in die Abwasserbehandlung, in die Schlammbehandlung und die Rauchgasbehandlung.

Abb. 36
Systemanalyse

Quelle: Eigene Darstellung

Systemanalyse

8.3.1 Abwasserbehandlung

Das verschmutzte Abwasser geht als Input in die Abwasserbehandlung. Es ist das größte Inputgut des gesamten Systems. Im Jahr 2003 wurden durchschnittlich 212.000 cbm Abwasser pro Tag gereinigt. Da die Menge des Wassers bei der Behandlung nicht beeinflusst wird, ist die Outputgröße des gereinigten Wassers gleich der Inputgröße des verschmutzten Abwassers. Das gereinigte Abwasser entspricht keiner Badequalität und wird aus diesem Grund in den Monaten von April bis September über lange Druckrohre in das Oberflächenwasser des Teltowkanals abgeleitet. In den Monaten von Oktober bis März sind kürzere Wege, über die Einleitung in die Spree möglich.

Der Input von Energie kann leider nur als eine Gesamtgröße angegeben werden, da nur Angaben für das gesamte Klärwerk erhältlich waren. Der Energiebedarf liegt bei maximal 7.000 kW. Für die Belebung ist ein weiteres Inputgut, das Fällmittel Eisensulfat, notwendig. Im Jahr 2003 wurden 809 Tonnen Eisen(II)-Chlorid verwendet bzw. verarbeitet. Bei der Abwasserbehandlung entstehen verschiedene Outputs. Der Überschussschlamm aus der Belebung und Nachklärung wird wieder zum Input für die Belebung und für die Einlaufanlage. In die Belebung werden 95 % wieder eingeleitet und 5 % gehen als Eigenabwasser in die Einlaufanlage zurück. Der aus der Vorklärung entstandene Mischschlamm wird in der Schlammbehandlung weiterverarbeitet. Im Jahr 2003 waren dies 2.300 cbm pro Tag. Der in der Sandfanganlage gesammelte Sand wird gewaschen und weitgehend von organischen Bestandteilen getrennt. Der so gereinigte Sand, etwa 2-3 t pro Tag, wird in Containern gesammelt und per LKW-Transport zur Müllkippe Groß-Ziethen gefahren. Es wird an einer Möglichkeit gearbeitet, den Sand ab 2005/2006 in einer Bodenwaschanlage zu reinigen, um ihn im Straßenbau verwenden zu können. Somit würde das Outputgut Sand zu einem Input für einen weiteren Stoffkreislauf. In der Rechenanlage wird das sogenannte Rechengut zurückgehalten, wozu Schmutzstoffe wie Papier, Textilien, Holz und Plastik zählen. Die täglich anfallende Menge von 5-6 t wird gepresst, in offenen Containern gesammelt und anschließend mit dem LKW zur Kompostieranlage nach Hannover transportiert. Durch diese Kompostierung werden die Stoffe wieder in den Stoffkreislauf zurückgegeben.


8.3.2 Schlammbehandlung

Für die Schlammbehandlung wird ein aufwendiges Verfahren verwendet. Dabei wird das Inputgut Mischschlamm mit Hilfe von weiteren Inputs verarbeitet. Wie bei den Ausführungen zur Abwasserbehandlung bereits erwähnt, ist nur der gesamte Energiebedarf des Klärwerkes bekannt. Eine detaillierte Darstellung ist leider nicht möglich. Insgesamt 384 t Flockungsmittel, ein kationisches Polyacrylamid in 40%-iger Lösung, wurden 2003 für die Schlammentwässerung verwendet. Um dem Mischschlamm das Wasser, dessen Anteil 95 % beträgt, zu entziehen, ist der Einsatz von Flockungsmittel notwendig. Es handelt sich dabei um ein kationisches Polyacrylamid in 40%-iger Lösung. Im Jahr 2003 wurden im Klärwerk Ruhleben davon insgesamt 384 t eingesetzt. Das Eigenabwasser geht als Input in die Einlaufanlage der Abwasserbehandlung ein. Im Wirbelschichtofen, für den große Mengen Heizöl notwendig sind, werden die verbleibenden 5 % Trockenstoff verbrannt. In 2003 wurden so 87 t davon behandelt, wofür 10.000 l Heizöl verbraucht wurden. Bei dieser Verwertung entsteht als Output Asche und Rauchgas. Das Rauchgas wird einer Elektrogasreinigung, wo ebenfalls Asche entsteht, unterzogen. Anschließend gelangt ein Teil des Gases über einen Schornstein in die Atmosphäre. Der übrige Teil wird einer Rauchgasbehandlung zugeführt. Die im Rauchgas enthaltene Wärmeenergie wird vorrangig für die Dampferzeugung sowie zur Vorwärmung der Verbrennungsluft und des Kesselspeisewassers genutzt. Überschüssiger Dampf wird in einem Turbinengeneratoraggregat in Elektroenergie umgewandelt. Entsprechendes Zahlenmaterial konnte durch das Klärwerk Ruhleben leider nicht zur Verfügung gestellt werden. Die bei der Schlammbehandlung anfallende Asche, in 2003 betrug dieser Anteil ca. 20-25 t, besitzt einen Phosphatanteil von 10-13 % und einen Eisenanteil von 13-14 %. Sie wird als Verfüllmaterial im Bergbauversatz eingesetzt.

Gereinigtes Abwasser

Abb. 37
Gereinigtes Abwasser

Quelle: Informationsbroschüre zum Klärwerk
Ruhleben, Berliner Wasserbetriebe

Absetzbecken

Abb. 38
Absetzbecken

Quelle: Informationsbroschüre zum Klärwerk
Ruhleben, Berliner Wasserbetriebe

Rechengut

Abb. 39
Rechengut

Quelle: Informationsbroschüre zum Klärwerk Ruhleben, Berliner Wasserbetriebe

Trockenstoff

Abb. 40
Trockenstoff

Quelle: Michael Prytula, TU Berlin

Heizöl-Tank


Abb. 41
Heizöl-Tank

Quelle: Michael Prytula, TU Berlin

8.3.3 Rauchgasbehandlung

Seit 1989 wird Klärwerk Ruhleben das Rauchgas, welches nach der Elektrogasreinigung nicht in die Atmosphäre gelangt ist, einer Rauchgaswäsche unterzogen. Dabei wird es im Sprühturm durch die Zugabe von Kalk und Zusatzwasser gewaschen. Dabei entsteht eine Art Gips-Wassergemisch, welches anschließend entwässert wird. Nach der Gipsentwässerung entsteht ein Gips mit einer Restfeuchte von weniger als 10 % und Mischschlamm. Bei einem Input von etwa 2 t Kalk pro Tag entstehen ca. 6 t Gips, der als Output der Bau- und Zementindustrie als Wirtschaftsgut zur Verfügung gestellt wird. Der Mischschlamm wird einer weiteren Aufbereitung zugeführt. Dabei wird ein Fäll- und Flockmittel zugegeben. Das dabei entstehende Eigenabwasser geht wieder als Input in die Einlaufanlage der Abwasserbehandlung ein. Ein Problem ist, dass der Schlamm sehr viele Schwermetalle enthält und somit Sondermüll darstellt. Bislang wurde kein Verfahren entwickelt und eingesetzt, um diese Metalle zu trennen und einer Wiederverwertung zuzuführen. Er wird derzeit lediglich in Fässer gefüllt und in ehemalige Salzbergwerke eingelagert.

Rauchgasanlage

Abb. 42
Rauchgasanlage

Quelle: Michael Prytula, TU Berlin

Stoffflussanalyse Abb. 43
Stoffflussanalyse

Quelle: Eigene Darstellung


8.4 Stoffflussanalyse

Das verschmutzte Abwasser wird zu 67,8 % von privaten Haushalten verursacht. Dieses häusliche Schmutzwasser setzt sich aus Toilettenwasser, Küchenwasser mit Gemüse- und Speiseresten, Putzwasser sowie Wasch- und Badewasser zusammen. Ein Anteil von 10,4 % setzt sich aus gewerblichem und industriellem Schmutzwasser zusammen. Aus dem Umland wird 9,4 % verschmutztes Abwasser eingeleitet. 12,4 % des Abwassers werden von sonstigen Kunden abgegeben. In 2003 wurden, unter Zugabe von Energie und Fällmittel, täglich 212.000 cbm Abwasser gereinigt. Die Anteile der Outputs Rechengut, Sand und Mischschlamm liegen jeweils unter einem Prozent des Abwassers. In der Stoffflussanalyse ist zu erkennen, dass der Aufwand für die eigentliche Reinigung des Abwassers gering ist und die Mengenverhältnisse der Outputs zum Abwasser verträglich sind. Während für den überwiegenden Teil der Outputs bereits Möglichkeiten bestehen, diese dem Stoffkreislauf wieder zuzuführen (siehe Rechengut) bzw. Lösungen dafür unmittelbar bevorstehen (siehe Sand) liegen für einen geringen Teil (Asche, Schwermetalle) derartige Verfahren bislang nicht vor.

Abb. 44
Tabellen zu den Systemkennwerten

Quelle: Eigene Darstellung

Datenquelle: Berliner Wasserbetriebe
Abschätzung von Aufwand und Nutzen aufwerfen.
Input Güter


Output Güter


9. Fazit

Nach Abschluss der Recherche muss die Frage gestellt werden, wie sich diese konzeptionelle Lösung der Abwasserbehandlung in Berlin bewerten lässt. Auf Grund der Analyse der Abwasserbehandlung kann man sagen, dass fast alle Güter, die diesem System zugefügt werden entweder wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt oder in Energie umgewandelt werden. Einzig negativ in der Auswertung ist festzustellen, dass es sich bei dem Outputgut Schlamm um Sondermüll handelt. Es wäre wünschenswert in den nächsten Jahren ein Verfahren zu entwickeln, das die Gewinnung der Schwermetalle aus diesem Schlamm ermöglicht, um den Stofffluss ökologisch betrachtet zu verbessern.

Wenn man die ökologische Bilanz betrachtet, kann man dieses System aber als durchaus positiv bewerten. Was man sich auch noch vorstellen könnte, wäre die industriellen und die restlichen Abwässer voneinander zu trennen, was sich sehr positiv auf die Abwasserbehandlung auswirken würde, da die häuslichen Abwässer weniger Schadstoffe enthalten. Die chemisch hochbelasteten Industrieabwässer könnten einer separaten Reinigung unterzogen werden. Der restliche Teil des Abwassers würde deshalb gar nicht erst dieser hohen Belastung, welche durch die Durchmischung entsteht, ausgesetzt und könnte mit geringerem Aufwand gereinigt werden. Das ist aber nicht mit dem vorhandenen System umsetzbar und würde eine Erweiterung des Abwassersystems bedeuten und die Frage nach Abschätzung von Aufwand und Nutzen aufwerfen.

Es gibt aber auch Kritiker, die in der vorhandenen Methode der Abwasserbehandlung ein großes Problem sehen. Zum Beispiel die Fäkalien mit ihrem hohen Gehalt an Phosphor, Stickstoff und Kalium werden heute nur noch zu einem geringen Teil zur Düngung der Felder genutzt, während die Landwirtschaft mineralischen Dünger aus fernen Ländern importieren muss. Es werden also wertvolle Rohstoffe verschwendet. Man kann jedoch dagegen setzen, dass die Landwirtschaft die Klärschlämme, in denen die Nährstoffe für die Pflanzen vorhanden seien, gar nicht mehr abnehmen will.

Ein weiteres Problem ist, dass man mit den Kläranlagen das Problem der Keime noch nicht in den Griff bekommen hat, was zur Folge hat, dass mit diesem System zur Verbreiterung von antibiotikaresistenten Keimen beigetragen wird.

Die Frage aber ist, gibt es bessere Methoden und Systeme die man in der Großstadt Berlin anwenden kann? Soll man zum Beispiel auf dezentrale Systeme mit eigenen kleinen Versickerungsflächen in der Stadt setzen?

Der Großteil der modernen Alternativen ist für Kleineinheiten ausgelegt und lässt sich tendenziell nur in Siedlungen in der Peripherie realisieren. Auch ist die Funktionsweise des Berliner Abwassersystems auf den derzeitigen Durchschnittsverbrauch ausgelegt. Laut den Berliner Wasserbetrieben würde es durch weitere Einsparungen seitens der Wasserverbraucher immer schwieriger eine Instandhaltung zu gewährleisten, da nicht mehr genügend Wasser zur Spülung des Kanalnetzes vorhanden sein wird. Diese Einsparungen sind in Berlin auch gar nicht nötig, da geographisch bedingt genügend Wasserreserven vorhanden sind. Das Abwassersystem ist somit auf einen Verbrauch einer bestimmten Menge Wasser angewiesen. Und es ist fraglich, ob sich die vorhandene Struktur in ein neues Abwasserkonzept integrieren lässt.

Das jahrzehntlange gewachsene Abwassersystem wurde im Laufe der Jahre an die heutigen Berliner Verhältnisse angepasst und hat sich für den Standort Berlin als zuverlässig und effizient erwiesen.


 
10. Quellen

Baccini, P / Bader, H.-P.: Regionaler Stoffhaushalt. Erfassung, Bewertung und Steuerung. Heidelberg / Berlin / Oxford 1996

Bärthel, Hilmar: Gerklärt. Berliner Wasserbetriebe

Bringezu, Stefan: Erdlandung. Navigation zu den Ressourcen der Zukunft,
Stuttgart 2004

Berliner Wasserbetriebe (BWB): Informationsbroschüre zum Klärwerk Ruhleben

Tepasse, Heinrich: Stadttechnik im Städtebau Berlins - 19.Jahrhundert, Berlin 2001

Tepasse, Heinrich: Stadttechnik im Städtebau Berlins - 1945-1999, Berlin 2001

Süddeutsche Zeitung: Scharfe Schüsse gegen die Abwasserwirtschaft, 30.04.1999

Internet:

www.bwb.de
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