Differenzierung von Nachhaltigkeit Theoretische Grundlagen des Konzepts von Nachhaltigkeit Wir gehen in unserer Arbeit der Frage nach, was der Begriff der Nachhaltigkeit bezeichnet. Der Begriff der Nachhaltigkeit unterliegt in letzter Zeit zunehmend einem inflationären Gebrauch. In fast allen Bereichen der menschlichen Aktivitäten wird großer Wert darauf gelegt, sich nachhaltig zu verhalten, oder doch zumindest darauf, den Eindruck zu erwecken, man verhielte sich nachhaltig. Politiker aller Couleur fordern Nachhaltigkeit in so mancher Debatte, Bioläden verkaufen Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft und Großbanken verfolgen nachhaltige Strategien zur Gewinnmaximierung. Diese Liste ließe sich fast beliebig erweitern, aber sie reicht schon aus, um das Phänomen des inflatorischen Gebrauchs des Motivs der Nachhaltigkeit anzuzeigen. Nun macht es stutzig, zu hören, dass Personen, Gesellschaften oder Institutionen, deren Interessen sich zum Teil diametral entgegenlaufen, trotzdem jeweils für sich reklamieren können, nach denselben Prinzipien, nämlich denen der Nachhaltigkeit, zu handeln. So würde z.B. McDonalds (1) genauso wie der Bioladen um die Ecke darauf insistieren, dass ihre Unternehmensphilosophie oder doch zumindest Teile davon unter Prinzipien der Nachhaltigkeit strukturiert sind. Sprechen nun beide über dasselbe, über zwei unterschiedliche Variationen derselben Sache oder geht es um zwei unterschiedliche Sachen, die nur mit demselben Nahmen bezeichnet werden?
Es scheint so zu sein, als ob Nachhaltigkeit ein Prinzip ist, das Handlungen auf einen bestimmten Zweck hin bestimmt. Wenn man diesen Zweck nicht mit in Betrachtung nimmt, können paradoxe Situationen auftauchen. So könnte z.B. der Eine aus Gründen von (an Kapitalgewinn orientierter) Nachhaltigkeit daran interessiert sein, genau den Wald abzuholzen, den ein Anderer aus Gründen von (ökologischer) Nachhaltigkeit erhalten will. Anknüpfend an dieses Phänomen entsteht die Frage, in welchem Verhältnis die verschiedenen Motivationen bzw. Interessen an Nachhaltigkeit zueinander stehen. Sind sie vertikal oder horizontal oder vielleicht auf noch eine andere Art geordnet bzw. lassen sie sich überhaupt in ein bestimmtes Verhältnis zu einander bringen? Um unserer Frage nachzugehen, werden wir (1) untersuchen, was die theoretischen Grundlagen des Konzepts von Nachhaltigkeit sind, (2) die in der Wohlfahrtsökonomik geläufige Unterscheidung von starker und schwacher Nachhaltigkeit sowie deren Verhältnis zu einander beschreiben, (3) den aktuellen Versuch einer Verbindung von starker und schwacher Nachhaltigkeit von Ott und Döring darstellen und (4) Vor- und Nachteile von schwacher und starker Nachhaltigkeit an einem konkreten Beispiel beleuchten, (5) einen alternativen Ansatz von Lømborg vorstellen, der aufgrund eines anderen Ansatzes in Bezug auf die Probleme der Menschheit die Überlegungen zu primär ökologisch-nachhaltiger Entwicklung für verfehlt hält. Einleitung In einer Theorie der Nachhaltigkeit geht es um die um (a) die Verteilung von Gütern, (b) die Möglichkeiten zur Realisierung von Bedürfnissen und Fähigkeiten und (c) den Zugang zu natürlichen und kulturellen Ressourcen. (2) Die Verteilungen, Möglichkeiten und Zugänge sollen in inter- und intragenerationeller Hinsicht gerecht organisiert werden. Diese Aufgabenstellung ist voraussetzungsreich, da sie sich auf den komplexen Begriff der Gerechtigkeit bezieht und hochkomplexe Handlungssubjekte, nämlich die Generationen, in Anschlag bringt. Damit stehen zwei Fragekomplexe ihm Raum, die der Frage nach einem Konzept von Nachhaltigkeit vorgelagert sind: die Frage (a) nach dem Wesen der Gerechtigkeit (Was ist gerecht?), und (b) nach der Konstitution von Subjekten (Was ist ein Subjekt und was ist eine Gemeinschaft von Subjekten?) Der zweiten Frage werden wir hier nicht weiter nachgehen, sondern einfach voraussetzen, dass es Handlungssubjekte, bzw. komplexe Handlungssubjekte gibt. (3) Wenn wir in dieser Arbeit über Handlungssubjekte sprechen, beziehen wir uns auf folgende Definition: Ein Handlungssubjekt ist ein Subjekt mit intentionaler Struktur, das man für sein Handeln verantwortlich machen kann. Darunter fallen Personen genau so wie abstrakte Personen, wie z.B. Firmen, Gesellschaften, Bevölkerungen oder globale Generationen. Was uns hier interessiert, ist die erste Frage, denn ein vorgängiges Verständnis von Gerechtigkeit scheint die Bedingung einer Theorie von Nachhaltigkeit zu sein. So schreiben auch Ott und Döring, dass "[die] Idee der Nachhaltigkeit [...] an die Idee der Gerechtigkeit angelehnt [ist]" (4) bzw. dass umgekehrt der Gedanke der Nachhaltigkeit in einer allgemeinen Theorie der Gerechtigkeit verwirklicht werden muss, da Nachhaltigkeit eben in der gerechten Verteilung von Möglichkeiten und Zugängen besteht. (5) Die Möglichkeiten und Zugänge, die durch eine gerechte Verteilung geregelt werden sollen, können auch allgemein als Ansprüche von Handlungssubjekten beschrieben werden. Diese Ansprüche können dann auf dem Hintergrund einer Gerechtigkeitstheorie beurteilt und damit entweder anerkannt oder abgelehnt werden. Was ist Gerechtigkeit? Die Frage nach der Gerechtigkeit wird im Rahmen der Ethik behandelt. Sie ist aber keineswegs damit gleichzusetzen. Ethik könnte man grob als die "Wissenschaft der Handlung(en)" beschreiben. Handlungen sind dabei Ereignisse in der physischen Welt, allerdings mit der Besonderheit, dass sie von wollenden Wesen, d.h. von Subjekten mit intentionaler Struktur, ausgeführt werden. Eine universale Ethik setzt sich also mit Handlungen aller Art auseinander. Bestimmte Handlungen, z.B. religiöse, sexuelle, ökonomische oder gerechte, fallen in bestimmte Bereiche, die die Ethik untersucht. Dabei kann es aber durchaus Verbindungen zwischen unterschiedlichen Bereichen geben. Eine wichtige systematische Unterscheidung ist die Unterscheidung von internen und externen Handlungsgründen und das Verhältnis dieser beiden in konkreten Situationen. Innere Gründe werden durch die Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Motive des Handlungssubjektes bestimmt, externe durch die Möglichkeiten, die durch den Kontext des Handlungssubjektes festgelegt sind. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil sie die Bewertung einer Handlung bestimmt. Für die internen Handlungsgründe ist ein Handlungssubjekt verantwortlich, d.h. es kann dafür verantwortlich gemacht werden. Für externe dagegen nicht, weil diese sich der Modifizierbarkeit durch das Handlungssubjekt per definitionem entziehen. Je nachdem, was man als internen und was als externen Grund annimmt, wird man eine Handlung unterschiedlich beurteilen. Deshalb ist in Streitfällen um die Verantwortung für ein bestimmtes Ereignis auch stets die Frage entscheidend, was das Handlungssubjekt hätte wissen oder tun können. Dadurch soll geklärt werden, was in Bezug auf das fragliche Ereignis in seiner Macht stand und ob er dafür zur Verantwortung gezogen werden soll oder nicht. Ethik wird auf normativer und auf deskriptiver Ebene betrieben. Auf deskriptiver Ebene beschreibt Ethik Handlungen, auf normativer Ebene beurteilt sie, welche Handlungen anderen vorzuziehen sind. Genau das ist ja auch in der Debatte um Nachhaltigkeit der Fall, wenn aus Beobachtungen und Urteilen über die Verhältnisse in der Welt Forderungen entstehen, wie die Menschen sich weiterhin in Bezug auf ihre Umwelt verhalten sollen. Ethische Konzeptionen Zurzeit werden in der Ethik hauptsächlich drei Richtungen (6) verfolgt, von denen auch Mischformen existieren können: (1) eudaimonistische Ethiken, auch Glücksethiken genannt. Dabei steht die Idee das guten Lebens im Vordergrund, das durch bestimmte Verhaltensregeln erreicht werden soll. Beispiele sind die nikomachische Ethik von Aristoteles oder die Konzeption von Martha Nussbaum. (2) deontologische Ethiken, oder auch Prinzipienethiken. Dort werden Prinzipien aufgestellt, von deren Befolgung sich die Regeln für ein gutes Leben herleiten. Vertreter sind z.B. Kant, Scanlon, Gauthier und Rawls. (3) konsequentialistische Ethiken. Diese bestimmen den Gehalt einer Handlung nicht anhand eines Ideals oder durch Ableitung von einem obersten Prinzip, sondern bemessen ihn allein an den Konsequenzen, die die Handlung zeitigt. Vertreter sind z.B. Bentham und Singer. Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit Gerechtigkeit ist ein relationaler Begriff, d.h. Gerechtigkeit besteht immer zwischen verschiedenen Handlungssubjekten. Damit entsteht die Frage nach (1) intragenerationeller und (2) intergenerationeller Gerechtigkeit. Beide beruhen grundlegend auf der Annahme der prinzipiellen Gleichheit aller Handlungssubjekte, unterscheiden sich aber in einem wesentlichen Punkt. Zu Fragen der intragenerationellen Gerechtigkeit kann man die betroffenen Handlungssubjekte (theoretisch) direkt nach ihren Ansprüchen befragen. Bei Fragen der intergenerationellen Gerechtigkeit ist das nicht der Fall, da es sich hier um die Gerechtigkeit zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Handlungssubjekte geht. Man kann keine zukünftige Generation fragen, ob sie unseren Anspruch auf beispielsweise Rohstoffverbrauch in dieser Quantität für gerecht hält, d.h. anerkennt. Um intergenerationelle Gerechtigkeit herzustellen, müssen also Annahmen darüber getroffen werden (7), wie die Ansprüche zukünftiger Generationen aussehen. Wichtig ist hierbei die Betonung darauf zu legen, dass es sich dabei tatsächlich um Annahmen handelt, denn logisch zwingende Schlüsse über die zukünftigen Ansprüche sind schlechterdings nicht möglich. Diese Schlüsse bleiben uns durch die Induktionsproblematik verwehrt. Weder kann man sagen, dass die Ansprüche zukünftiger Generationen von den unseren verschieden sein werden, noch dass sie den unseren gleichen werden . Das, was wir ihnen zuerkennen können, ist, dass sie dieselben Möglichkeiten haben, Ansprüche zu haben, wie wir auch (8). Es geht also um die Ermöglichung und Gewährung der Möglichkeit eines guten Lebens. Wenn man über "gutes Leben" spricht, argumentiert man vom Boden eines eudaimonistischen Ethikansatzes aus. "Gutes Leben" ist dabei ein chronisch unterbestimmter Begriff. Wann ist ein Leben genau gut? Dieser Frage nähert man sich seit Aristoteles durch Beschreibungen von Ausgewogenheiten zwischen Extrempositionen. Zu einem guten Leben braucht ein Handlungssubjekt weder zu viel noch zu wenig von bestimmten Dingen oder Ereignissen. So braucht man z.B. ein angemessenes Quantum von Trinkwasser zum Leben. Zu wenig wie zu viel ist beidermaßen dem Überleben eher hinderlich. In dieser Art wird alles in einer Liste aufgezählt, was zu einem guten Leben gehört. So auch bei Ott und Döring, die sich dabei auf Martha Nussbaum beziehen (9). Nach diesem kleinen Exkurs in die Ethik werden wir nun die gerechtigkeitstheoretischen Überlegungen von Nachhaltigkeitskonzeptionen nachzeichnen. Dabei geht es darum entscheidende Momente der Gerechtigkeitstheorie darzustellen, die man beim Nachdenken über Nachhaltigkeit berücksichtigen muss.Gerechtigkeitstheoretische Grundlagen von Nachhaltigkeit Bereiche der Gerechtigkeitstheorie Bei der Frage nach der Gerechtigkeit im Bezug auf eine Nachhaltigkeitstheorie geht es in erster Linie um die Frage nach "distributiver Gerechtigkeit in Gegenwart und Zukunft" (10). Distributive Gerechtigkeit befasst sich in Abgrenzung zu politischer und korrektiver Gerechtigkeit mit der gerechten Verteilung von Ansprüchen. Politische Gerechtigkeit befasst sich mit der Frage, ob oder wie Handlungssubjekte gleichberechtigt ihre Ansprüche formulieren können. Korrektive Gerechtigkeit setzt sich damit auseinander, wie Zustände, die durch zu Unrecht durchgesetzte Ansprüche entstanden sind, kompensiert werden können. Aber auch trotz dieser systematischen Unterteilung sind die drei Bereiche oft miteinander verflochten. Bei jeder Gerechtigkeitstheorie muss berücksichtigt werden, dass sich Ansprüche immer relativ zu bestimmten kulturellen Verhältnissen, d.h. in der moralischen Tradition von Gesellschaften konstituieren (11). Man kann also über die Anerkennung von Ansprüchen nur im Rahmen von einem kulturellen Rahmen sprechen. Der Rahmen für die Anerkennung von Handlungsregeln, die sich aus einer allgemeinen Nachhaltigkeitstheorie herleiteten, wäre also auch eine allgemeine Gesellschaft, d.h. in diesem Falle die moralische Tradition einer globalen Gesellschaft. Ott und Döring behaupten, dass diese moralische Tradition existiert, was sich unter anderem im globalen Diskurs der Frage von Nachhaltigkeit, der Menschenrechte u.ä. zeige (12). Sie beziehen sich bei ihrer "Arbeitsdefinition" von Gerechtigkeit hauptsächlich auf die "Theory of Justice" von John Rawls, da diese Arbeit die aktuelle Gerechtigkeitsdebatte nachhaltig geprägt habe (13). Rawls argumentiert deontologisch, was sich auch in Ott und Dörings Konzeption zeigen wird. Ihre Arbeitsdefinition von Gerechtigkeit lautet: "Gerechtigkeit ist [...] der Inbegriff all der Prinzipien, Regeln und Verfahren, die die Verteilung von Rechten, Pflichten, Chancen, Kompetenzen, Gütern i.w.S. für alle hiervon direkt oder indirekt Betroffenen auf eine diskursrational annehmbare Weise regulieren." (14) Dabei stellen sie drei systematische Punkte heraus: es gibt (a) Ansprüche eines Handlungssubjektes, (b) ein Konzept primärer Güter und Fähigkeiten eines Handlungssubjektes und (c) das Problem des Eigenwertes von Gleichheit (15). Distributive Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit befasst sich mit der gerechten Verteilung der Ansprüche auf(1) Realisierung von Fähigkeiten und Bedürfnisse und (2) Zugang zu Gütern und natürlichen und kulturellen Ressourcen. Dabei besteht das theoretische Anerkennen dieser Ansprüche im Praktischen sowohl im (aktiven) Ermöglichen wie auch im (passiven) Gewähren dieser Ansprüche. Ansprüche können zu komplexen Anforderungen an Handlungssubjekte führen, da manche Güter und kulturelle Ressourcen nicht natürlich vorkommen, sondern hergestellt und erhalten werden müssen, und die Realisierung mancher Fähigkeiten und Bedürfnisse die eines anderen Handlungssubjektes tangieren kann. Diesen komplexen Anforderungen kann man durch die Schaffung von gesellschaftlichen Institutionen (16) und damit verbunden durch die Bildung von Verteilungsregeln, wie eben z.B. einer Nachhaltigkeitstheorie, begegnen. Wenn es zwischen verschiedenen Ansprüchen zu Konflikten kommt, besteht eine gerechte Lösung dieser Konflikte darin, die verschiedenen Ansprüche gegeneinander abzuwiegen und begründend zu priorisieren (17). Je komplexer die Ansprüche sind, desto umfangreicher wird das Set der Alternativen, die in eine Prioritätsreihenfolge gebracht werden müssen. Dabei wird vorausgesetzt, dass alle Handlungssubjekte prinzipiell gleichberechtigt im Formulieren von Ansprüchen sind. Sind Handlungssubjekte nicht in der Lage, ihre Ansprüche angemessen zu formulieren, muss auf Grund des vorhergehenden Gedankens der prinzipiellen Gleichheit aller Handlungssubjekte dafür gesorgt werden, dass ihre Ansprüche advokatorisch formuliert Der Umgang der Ökonomik mit der Verteilungsproblematik Wohlfahrtsökonomen gehen in analytischer Art und Weise mit Verteilungsproblemen um. Sie teilen das Problem in zwei Teile: (1) Maximierung der Allokation (2) Verteilung der Produkte Dann soll sich die Ökonomik mit den Fragen der Allokation unter dem Vorzeichen von Optimierungsproblemen auseinander setzen und (2) der politischen Entscheidung der Gesellschaft überlassen. Und die Gesellschaft kann jede Verteilungsregel wählen, die sie für richtig hält. Durch diese Auftrennung blendet die Ökonomie die ethische Seite aus ihrem Arbeitsfeld aus, denn ethische Werte sind nicht quantifizierbar. Bei der Maximierung der Allokation dagegen lassen sich alle Parameter quantifizieren und damit exakt beschreiben. Alle Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Motive werden in Präferenzen zerlegt, aus denen sich dann die Präferenzordnung eines Handlungssubjektes ergibt. Alle diese Präferenzordnungen sind kommensurabel. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Abstraktion geeignet ist, um die Handlungen von Handlungssubjekten adäquat zu formulieren. Mit der Delegierung der Verteilung an gesellschaftliche Institutionen scheidet die Ökonomik aus dem Feld der Kandidaten, die Antworten auf Verteilungsfragen geben könnten, aus. Denn es geht ihr dann nur darum, wie man die Produktion maximiert aber nicht mehr darum, wie man die Produkte verteilt. (18) Damit besteht ein "unhintergehbarer Vorrang der Gerechtigkeit vor der Effizienz" (19). Das Interesse an Gerechtigkeit ist tief und grundsätzlich in der menschlichen Natur angelegt (20). Dazu eine kurze Überlegung. Ökonomik behandelt unter verschiedenen Rationalitätsvoraussetzungen und mit Hilfe von Spiel- und Entscheidungstheorie Wirtschaftsprobleme und damit auch Ressourcenverbrauch. Sie bezieht sich dabei auf folgendes Paradigma: Menschen haben Wünsche, Bedürfnisse, Motive und Interessen. Diese Handlungsmotivationen lassen sich als Präferenzen formulieren. Präferenzen sind sozusagen die kleinsten, stabilen Einheiten des Bewusstseinsstroms von Handlungssubjekten. Nun sind Präferenzen private Informationen, die nicht messbar sind. Die Ökonomik unterstellt, dass die Präferenzen eines Handlungssubjektes sich in seinen Handlungen manifestieren. Dabei sind alle Präferenzen prinzipiell gleichberechtigt. Die Präferenzordnung eines Handlungssubjektes hängt allein von dessen Wünschen, Bedürfnissen, Motiven und Interessen ab. Deshalb müssen Wohlfahrtsökonomen alle Präferenzordnungen als gleichberechtigt anerkennen. Trotzdem lehnen Ökonomen manche Präferenzordnungen als irrational ab, z.B. die Präferenz eines Süchtigen nach einer bestimmten Substanz. Um aber zu begründen, warum diese Präferenzordnung irrational ist, muss man auf einen langfristigen (und in diesem Falle negativen) Effekt verweisen, den die Präferenzbefriedigung auf die Integrität des Handlungssubjektes oder auf die Gesellschaft des Handlungssubjektes hat. Hier wird auf eine Instanz rekurriert, die die Präferenzordnung bewertet, d.h. selbst nicht als Präferenz formuliert werden kann, da man sonst in einen unendlichen Regress geraten würde. Daraus lässt sich ersehen, dass sich innerhalb des ökonomischen Vokabulars nicht alle Wünsche, Bedürfnisse, Motive und Interessen von Handlungssubjekten adäquat formulieren lassen. Deshalb ist die Ökonomik auch nur (21) in der Lage, einen bestimmten Teil von gesellschaftlichen Phänomenen zu behandeln. Die Ökologie dagegen setzt z.B. ihre Schwerpunkte im Umgang mit Verteilungsfragen ganz anders. Ökologische Theorien der Nachhaltigkeit sind meist folgendermaßen strukturiert: (a) Oberstes Gebot ist die Beschränkung der Wirtschaftsaktivität des Handlungssubjektes auf die natürlichen Grenzen der Kapazität seiner Biosphäre. (Wobei die Grenzziehung natürlich eine schwierige Aufgabe ist.) (b) Zweites Gebot ist die gerechte Verteilung der Produkte durch gesellschaftliche Institutionen. Verteilungsmaßstab Die nächste Frage, der sich die Konzeption einer Nachhaltigkeitstheorie stellen muss, ist die Frage, ob sie Anerkennung der Ansprüche von Handlungssubjekten anhand eines (1) absoluten oder eines (2) komparativen Standards bemisst. Ein absoluter Standard wäre die Festsetzung eines bestimmten Maßes anerkannter Ansprüche, anhand dessen man die Ansprüche eines Handlungssubjektes bemessen könnte, vergleichbar z.B. mit dem Feststellen einer Länge anhand des Vergleiches mit dem Meter in Paris. Ein komparativer Verteilungsmaßstab dagegen würde die anzuerkennenden Ansprüche von Handlungssubjekten in Relation zur Anerkennung von Ansprüchen anderer Handlungssubjekte bestimmen. Beide Positionen haben ihre Probleme. Ein absoluter Standard läuft Gefahr für manche Handlungssubjekte der Gegenwart und/oder der Zukunft unangemessen zu sein bzw. zu werden und zwar nach oben oder nach unten hin. Wenn man bestimmte Grundansprüche festsetzt, die die Bedingung eines guten Lebens sind, kann es passieren, dass sich die aktuellen oder zukünftigen Bedingungen so ändern, dass das Grundanspruchs-Kontingent entweder zu hoch oder zu niedrig angesetzt ist. Wenn z.B. durch Bevölkerungswachstum eine Verknappung der Anerkennbarkeit von Ansprüchen entstünde, könnte die Garantie auf die Grundansprüche nicht mehr eingelöst werden. Wenn andererseits durch irgendwelche Ereignisse mehr Ansprüche anerkannt werden könnten, würden alle sich mit weniger begnügen, als zur Verfügung stünde, und das hieße u. a., dass sie die Möglichkeiten, über die sie verfügen, nicht entfalteten. Außerdem war und ist die Definition von Grundansprüchen problematisch. Die Schwierigkeit liegt darin, dass diese sozusagen ständig aktualisiert und neu bewertet werden müssen. Ein komparativer Verteilungsmaßstab dagegen kann zur Anerkennung von Ansprüchen führen, die mit einem guten Leben nichts mehr zu tun haben. Wenn sich die Anerkennung der Ansprüche eines Handlungssubjektes allein an den Ansprüchen anderer bemisst, dann spricht nichts dagegen, dass es allen Handlungssubjekten gleich schlecht geht. Außerdem ist die Motivation von Ansprüchen fraglich, die sich auf die Anerkennung von Ansprüchen anderer beziehen.Verteilungsarten Die Verteilungsarten, die die Gesellschaft wählen kann, sind nun entweder: (1) egalitär oder (2) nicht-egalitär Nach (1) werden die Güter, Möglichkeiten und Zugänge gleich verteilt. Nach (2) ist auch eine Ungleichverteilung zulässig. Beide Alternativen haben jeweils Vor- und Nachteile; die verschiedenen Positionen, die sich aus (1) und (2) entwickeln lassen, sind deshalb so umstritten, weil sie die Interessen von Gruppen in ganz unterschiedlichen Umständen treffen und damit unterschiedlich bevor- oder benachteiligen. So kann man z.B. davon ausgehen, dass in einer feudalen Gesellschaft bei Einführung einer egalitären Verteilungsart die Befürworter mehrheitlich in der besitzlosen Schicht zu finden wären, während die Gegner sich wohl hauptsächlich aus der Schicht der Grundbesitzer rekrutieren würden. Verteilungsmuster Es gibt drei grundlegende Verteilungsmuster: (1) Parität (2) Proportionalität (3) Priorität Parität ist das einzige egalitäre Verteilungsmuster. Dabei werden alle Ansprüche in gleichem Maße anerkannt. Proportionalität lässt eine nicht-egalitäre Verteilung zu, weil verschiedene Ansprüche aufgrund von bestimmten Momenten verschieden bewertet werden können, beispielsweise aufgrund eines bestimmten Verdienstes. Priorität erlaubt nicht-egalitäre Verteilung, weil bestimmte Ansprüche größer sein können als andere, z.B. aufgrund von Geburtsrecht. Gerechtigkeitstheorien müssen dem Kriterium der Konsistenz genügen, weil sonst nicht sichergestellt wäre, dass sie allgemein gültig sind, d.h. in unserem Fall, dass sie sowohl intra- wie auch intergenerationell gültig sein müssen. Wenn eine Nachhaltigkeitstheorie beispielsweise ein bestimmtes lokales oder temporales Handlungssubjekt benachteiligen würde, wäre sie nicht nachhaltig für alle Handlungssubjekte (22). Im Zusammenhang mit der Prioritätsrangfolge einer ökologischen Nachhaltigkeitstheorie entstehen daraus Fragen an die Möglichkeit der Einhaltung des obersten Gebotes (Wirtschaften in den natürlichen Grenzen der Biosphäre). Denn wenn Gerechtigkeit für alle Handlungssubjekte bestehen soll, ist nicht klar, ob das bei progressivem Bevölkerungswachstum möglich ist oder nicht. (23) Die Frage ist nun, welches der drei Verteilungsmuster man in Verbindung mit dem Grundsatz der Gleichheit aller Handlungssubjekte für eine Theorie der Nachhaltigkeit in Anschlag bringt. Döring und Ott privilegieren die "Verbindung aus Unparteilichkeit und der Idee der proportionalen" (24) Verteilung. Die Verteilung kann allerdings auch paritätisch geregelt werden. Von hier aus wollen sie nun eine Nachhaltigkeitstheorie entwickeln, wobei sie methodisch ex negativo von Fällen ausgehen wollen, die von der Mehrheit auf Grundlage der Gleichheit aller Handlungssubjekte als ungerecht bewertet werden. Aufgrund dieser einfachen Fälle sollen die komplexen Fälle distributiver Gerechtigkeit diskutiert werden. (25) Zusammenfassend: Die Anerkennung von Ansprüchen soll also vor dem Grundsatz der Gleichheit aller Handlungssubjekte erfolgen, die tatsächliche Verteilung der Anerkennung der Ansprüche einzelner Handlungssubjekte kann aber aufgrund von bestimmten Verhältnissen sowohl proportional wie auch paritätisch oder in anderen Worten nicht-egalitär wie auch egalitär ausfallen. Was können nun Faktoren sein, die zu einer Akzeptanz von ungleicher Verteilung führen?
Ein Argument gegen ein ausschließlich egalitäres Verteilungsmuster ist die faktische Ungleichheit von Handlungssubjekten. Handlungssubjekte sind zu unterschiedlichen Leistungen bereit und fähig, deshalb sollte in ein gerechtes Verteilungsmuster auch die unterschiedliche Anerkennung von Ansprüchen nach dem Leistungsprinzip und die unterschiedliche Anerkennungswürdigkeit aufgrund von unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zulassen, denn sonst müsste man umgekehrt dafür sorgen, dass alle Handlungssubjekte die gleichen Ansprüche (A1 und A2) haben, was u. a. dazu führen könnte, die Fähigkeiten von Handlungssubjekten zu beschneiden (26), damit sie anderen gegenüber nicht bevorteilt werden. Diese Maßnahme wäre in hohem Maße kontraintuitiv. Einschränkung/Modifikation der Verteilungsmuster Wenn man dazu kommt, dass eigentlich eine egalitäre Verteilungsart angemessen wäre, andererseits aber aufgrund von faktischen Unterschieden von Handlungssubjekten manchmal auch eine nicht-egalitäre Verteilung angemessen ist, dann muss man beide Verteilungsarten ermöglichen. Der Knackpunkt dabei ist, beide Verteilungsarten so aufeinander abzustimmen, dass sie gut zusammen funktionieren. Eine zu starke Betonung der egalitären Verteilungsart ist ebensowenig konstruktiv wie eine Überbetonung der nicht-egalitären, man denke z.B. an eine stark kommunistische Verteilung im Gegensatz zu einer kapitalistischen Verteilung neoklassischer Prägung. Eine Möglichkeit, mit dem Dilemma umzugehen ist, eine Kombination von egalitärer und nicht-egalitärer Verteilungsart zur Grundlage einer gerechten Nachhaltigkeitskonzeption zu machen. Das würde bedeuten, dass man einen "anspruchsvoll definierten absoluten Standart" (27) als Grundstock von sozialen Ansprüchen einführt, darüber hinaus aber eine nicht-egalitäre Verteilung aufgrund von anderen Prinzipien, wie z.B. dem Leistungsprinzip, zulässt. Damit würde sich die Anerkennung von Ansprüchen zwar in Relation zu anderen Handlungssubjekten bestimmen, durch die (gedeckelte) proportionale Verteilung von Anerkennung wäre es aber trotzdem möglich, Ansprüche oberhalb des Grundstock-Niveaus anzuerkennen. In der Theorie gibt es einige solcher Versuche, die mit Einschränkungen von nicht-egalitärer Verteilung arbeiten, z.B. mit dem Prinzip der Pareto-Optimalität oder einem Effizienzkriterium o. a. Um auch einem proportionalen Verteilungsmuster Platz einzuräumen, orientieren sich Ott und Döring an Rawls Differenzprinzip, das sie mit ihren Worten folgendermaßen fassen: "soziale und ökonomische Ungleichheiten [sind] nur dann gerechtfertigt [...], wenn es den Schlechtgestelltesten dadurch besser geht." (28) Durch diese Einschränkung der nicht-egalitären Verteilung soll sichergestellt werden, dass Verteilung nach dem Leistungsprinzip zwar möglich ist, aber nicht auf Kosten derjenigen Handlungssubjekte, die aus irgendwelchen Gründen nicht zu der gleichen Leistung fähig oder bereit sind. Das Differenzprinzip sorgt zwar für ein Maximum des sozialen Minimalstandards, lässt aber nach obenhin eine unbeschränkte Allokation einiger weniger Handlungssubjekte zu. Deshalb ist es nicht geeignet, die Unterschiede in der Anerkennung von Ansprüchen verschiedener Handlungssubjekte (29) zu limitieren. Da aber die Unterschiede, wenn sie zu groß werden, der Entfaltung der Prinzipien von Nachhaltigkeit entgegenwirken können, beispielsweise in Bezug auf die "politischen Anerkennungsverhältnisse" (30), muss das Differenzprinzip eingeschränkt werden, um die intragenerationellen Unterschiede zwischen den Handlungssubjekten moderat zu halten. Dies könnte z.B. durch eine absolute oberste Grenze der Allokationsmöglichkeit geschehen. (31) 2. Starke versus schwache Nachhaltigkeit 2.1 Einführung Nach der Untersuchung über die theoretischen Grundlagen der Nachhaltigkeitsdebatte widmet sich dieses Kapitel der differenzierten Betrachtung der verschiedenen Positionen innerhalb dieser Diskussion. Die entwickelte Schemavorlage dient dabei als "Folie", um die unterschiedlichen Konzepte von Nachhaltigkeit miteinander in Beziehung setzen zu können. Die Extrempunkte der verschiedenen Nachhaltigkeitskonzeptionen werden markiert durch: (a) sehr schwache Nachhaltigkeit: orientiert am Kriterium des kontinuierlichen Wachstums des BSP (b) sehr starke Nachhaltigkeit: unter Anerkennung des moralischen Selbstwertes von Naturwesen Die einzelnen Positionen können jedoch nicht als grundsätzlich kontinuierliche Variation EINES zugrunde liegenden Prinzips aufgefasst werden, da manche Annahmen der jeweiligen Konzeption sich gegenseitig ausschließen. Einer der Hauptvertreter des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit ist Robert Solow, der in 1974 in seinem berühmten Vortrag "The Economics of Resources or the Resources of Economics" seine Position aufzeigte. Herman Daly konterte, indem er 1996 seine Konzeption einer starken Nachhaltigkeit zusammenfassend erläuterte. Inzwischen gilt die Position der schwachen Nachhaltigkeit allgemein als nicht mehr zu verteidigen. Doch auch für die starke Nachhaltigkeitskonzeption gibt es Konzessionen und Einwände, sodass viele Wissenschaftler (u.a. Ott und Döring) heute für ein modifiziertes Konzept starker Nachhaltigkeit plädieren. Die "richtige" Struktur "kollektiver Hinterlassenschaften" als Schlüsselbegriff Ihrer Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen kommt die gegenwärtige nach, indem sie "kollektive Hinterlassenschaften" bildet. Schwache wie auch starke Nachhaltigkeit erkennen diese intergenerationelle Verpflichtung gemäß einem komparativ-egalitäre Standard an: Zukünftigen Generationen soll die Möglichkeit, ein "gutes Leben" zu verwirklichen, gewehrt werden. Hinsichtlich der "richtigen" Struktur fairer kollektiver Hinterlassenschaften unterscheiden sich die verschiedenen Nachhaltigkeitskonzeptionen jedoch grundsätzlich. Kollektive Hinterlassenschaften sind mit dem Aufbau, dem Erhalt und der Reproduktion von Kapitalbeständen verbunden. In der Ökonomik wird unterschieden zwischen: 1. Sachkapital, 2. Naturkapital (32), 3. Kultiviertes Naturkapital, 4. Sozialkapital (z.B. moralisches Orientierungswissen), 5. Humankapital (Fertigkeiten, Bildung), 6. Wissenskapital. Die paradigmatischen Grundkonzepte von schwacher und starker Nachhaltigkeit unterscheiden sich generell hinsichtlich der Beurteilung der Substitutionsmöglichkeit von Natur- durch Sachkapital, welche Fragen einer möglichen Kompensation zukünftiger Schäden, sowie die Anwendung der Diskontierungstechnik einschließt. Wenn Naturkapital vollständig oder sehr weitgehend durch Sachkapital ersetzt werden könnte, so müsste zukünftigen Generationen nur wenig Naturkapital hinterlassen werden. Andere Kapitalien würden mindestens einen gleich hohen Nutzen stiften. Eine hintergründige Frage bezüglich der Wahl der angemessenen Konzeption lautet daher, ob die Selbsterzeugung menschlicher Wohlfahrt in der Emanzipation von der Natur besteht. Können die Menschen ihre Wohlfahrt ausschließlich aus ihren eigenen Erzeugnissen heraus schaffen? 2.2 Schwache Nachhaltigkeit 2.2.1 Theoretische Rahmung Das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit geht grundsätzlich von einer Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital aus und begründet dies mit verschiedenen Argumenten: "non-declining utility rule" Eine der grundlegenden Forderungen des Konzeptes schwacher Nachhaltigkeit lautet: Der durchschnittliche Nutzen zukünftiger Personen muss mindestens dem heutigen Durchschnittsnutzen entsprechen und dauerhaft erhalten werden können. Dabei ist es unerheblich, wodurch der Nutzen gestiftet wird. "Nutzen" ist nur ein Platzhalter für all die Begriffe, die zum Ausdruck bringen, "was für den Menschen gut ist". Nutzen entsteht entsprechend der ökonomischen Lehre immer dann, wenn Präferenzen realisiert werden. Nutzen wird als Funktion von Konsum definiert. Konsum wiederum ist ein vielschichtiger Begriff, der neben der materiellen auch die verbrauchsneutrale, immaterielle Konsumption (33) einschließt. Um jedoch in der Ökonomik eine Monetarisierbarkeit und Berechenbarkeit gewährleisten zu können, wird der Konsumbegriff eingeschränkt und mit dem Kauf von Waren gleichgesetzt. Gilt bezüglich der intergenerationellen Gerechtigkeit das Mindestgebot der Aufrechterhaltung des heutigen Durchschnittsnutzens und wird zugleich der Konsumbegriff auf Waren und Dienstleistungen reduziert, so muss vor allem in die Kapitalbestände investiert werden, die derartige Nutzströme erzeugen: d.h. in Sachkapital.
Sukzessive Anpassung zukünftiger Präferenzen Im Konzept schwacher Nachhaltigkeit wird häufig angenommen, dass sich zukünftige Präferenzen sukzessive an eine zukünftige Welt anpassen werden. Würde Natur - weitgehend durch Sachkapital ersetzt werden, würden sich die Präferenzen der Menschen auch immer weniger an Naturkapital orientieren. Hierbei besteht jedoch ein grundsätzliches Problem: Weder dürfen Ökonomen Präferenzen vorschreiben, noch können sie genaue Voraussagen, sondern nur Annahmen über die Präferenzen zukünftiger Generationen treffen. Portfolio-Perspektive Die verschiedenen Kapitalbestände der Gesellschaft werden entsprechend der schwachen Nachhaltigkeitskonzeption unter einer Portfolio-Perspektive betrachtet. Dabei ist das Naturkapital im "Portfolio" der Gesellschaft nur einer von mehreren Posten, die zum menschlichen Wohlergehen beitragen. Im Hinblick auf die gewinnmaximierende Absicht ist es zulässig, Verschiebungen im Portfolio vorzunehmen. Der Portfolio-Manager entscheidet unter dem konzeptionellen Zwang der Effizienz über Substitutionsmöglichkeiten im Portfolio. Der Erhalt von Naturkapital muss sich so gegenüber anderen Ertragsarten behaupten. Ist dieser Nachweis nicht zu erbringen, scheint es entsprechend der Effizienzkriterien ökonomisch rationaler, Entscheidungen für die Substitution von Naturkapital zu treffen. Mechanische und atomistische Naturauffassung Der Substitutionsoptimismus wird außerdem geprägt durch eine mechanische und atomistische Naturauffassung, in der Neuzeit entwickelt vor allem von Descartes, Bacon, Marx und Kant: Die äußere Natur wird als wertfreie Objektivität, widerständige Materie, unerschöpfliche oder knappe Ressource begriffen und demzufolge als Gegenstand von Erkenntnis, Substrat technologischer Manipulation und produktiver Aneignung. Die Eigenschaften dessen, was als "Materie" oder "Stoff" aufgefasst wird, sind unerheblich im Vergleich zu den wertbildenden Eigenschaften, die Menschen dem Stoff durch Arbeit oder Technik hinzufügen. Natur ist nichts als Rohstoff. Der Sonderstatus des Lebendigen gegenüber der anorganischen Materie wird nicht mehr angemessen gewürdigt. Indefinite Substituierbarkeit impliziert schließlich, dass es nichts in der außermenschlichen Natur geben kann, das über den Preis erhaben ist. Somit wird in der Konzeption schwacher im Gegensatz zur starken Nachhaltigkeit der moralische Selbstwert von Naturwesen nicht anerkannt. Technikoptimismus Des Weiteren wird der Substitutionsoptimismus der schwachen Nachhaltigkeitskonzeption dadurch gerechtfertigt, dass in allen Fällen eine Substitution natürlicher Ressourcen durch technologischen Fortschritt möglich sein wird. (34) Dabei vertrauen Ökonomen auf folgendes Denkschema: Preise spiegeln Knappheit adäquat wieder. Steigen die Preise als Folge der Verknappung einer Ressource beginnt ein Suchprozess nach Substituten. Grundlegend ist die Annahme, dass diese Suche immer erfolgreich sein wird: Im Verlauf der Zeit wird eine neue Technologie am Markt konkurrenzfähig, setzt sich durch und verbreitet sich. Knappheit kann demnach auftreten. Unlösbare Knappheitsprobleme wird es jedoch nicht geben, da der Preismechanismus als Auslöser für den Suchprozess wirkt. Die aus der Vergangenheit hergeleitete Annahme, man habe bisher immer das entsprechende Substitut gefunden und wird es also auch in Zukunft finden, ist jedoch durch die bereits erwähnte Induktionsproblematik logisch nicht herleitbar. Diese Formulierung entspricht lediglich einer Vermutung über die Zukunft. 2.2.2 Substitution Entscheidend für intergenerationelle Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit ist der konstante summative Gesamtbestand an Kapitalien und nicht deren konkrete Struktur. In der ökonomischen Literatur werden die Bedingungen für die Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital meist in Modellen mit unbegrenztem Zeithorizont (35) und ohne technischen Fortschritt untersucht. Die entscheidende Größe ist die Substitutionselastizität ". Sie definiert das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit von Natur- durch Sachkapital. Je höher der Wert der Substitutionselastizität ist, um so leichter können beide Faktoren gegen-einander eingesetzt werden. Auf die spezifischen Produktionsfunktionen (36), d.h. ökonomische Rechenmodelle, genauer einzugehen, würde an dieser Stelle den Rahmen der Ausarbeitung sprengen. Da sich die Spannbreite von schwachen über vermittelnde bis hin zu Konzeptionen starker Nachhaltigkeit im Wesentlichen darin unterscheidet, in wie weit Natur durch Sachkapital ersetzt werden kann, soll hier ein Überblick über das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit anhand der Substitutionselastizität " gegeben werden (37): > 1: Die natürliche Ressource kann vollständig substituiert werden. Die Ressource ist im Grunde unnötig. Das Konsumniveau kann ohne diese Ressource erhalten werden. = 1: Unter bestimmten Bedingungen ist das Naturkapital nicht wesentlich, um um ein positives Produktions- und Konsumniveau im Zeitablauf aufrecht erhalten zu können. Das maximale Produktionsniveau wird dann erreicht, wenn die Ressourcenrenten, d.h. die Entlohnung des Ressourceninhabers, aus dem Einsatz von Naturkapital vollständig in Sachkapital reinvestiert werden. 0 < < 1: Die natürliche Ressource ist essentiell. Die Frage ist, wie gering der Beitrag der Ressource zur Produktion werden kann und ob durch technischen Fortschritt eine Substitution möglich wird. Ansonsten würde das Produktions- und Konsumniveau im Laufe der Zeit auf Null absinken. Diese Annahme für die Substitutionselatizität betrifft die Mehrzahl aller natürlicher Ressourcen. = 0: Natur- und Sachkapital stellen perfekte Komplemente dar und können nicht substituiert werden. Die indefinite Substitution von Natur- durch Sachkapital wird inzwischen auch von vielen Ökonomen zurückgewiesen. Konzepte schwacher Nachhaltigkeit mit gewissen Konzessionen an eine nicht indefinite Substitution müssten demnach die Substitutionselastizitäten der unterschiedlichen Arten der Naturkapitalbestände ermitteln. Außerdem ist anzunehmen, dass sich kleinere Einbußen an Naturkapital leichter substituieren lassen als komplette und irreversible.
2.2.3 Kompensation Aufbauend auf den Substitutionsoptimismus wird hinsichtlich der intergenerationelle Gerechtigkeit davon ausgegangen, dass zukünftige Verlierer von Umweltveränderungen angemessen entschädigt werden können. Der Verlust an Naturkapital soll durch die verbesserte Produktion von Konsumgütern und Dienstleistungen einschließlich kultureller Angebote ersetzbar sein. Dass die Benachteiligten entschädigt werden sollen, ist ein Grundsatz der korrektiven Gerechtigkeit, der hier vorausgesetzt wird. Neben den bereits angesprochenen Problemen bzw. widersprüchlichen Annahmen, die dem Substitutionsoptimismus der Konzeption schwacher Nachhaltigkeit zu Grunde liegen, stellt sich hier wiederum das "Präferenzen-Problem". Es wird vorausgesetzt, dass die zukünftigen Empfänger der Kompensation mit dieser einverstanden sein werden, wenn ihr Nutzen dadurch anwächst oder zumindest nicht absinkt. Die Bedürfnisse zukünftiger Generationen sind jedoch unbekannt. Es können nur Annahmen darüber getroffen werden. Und Ökonomen dürfen keine Präferenzen vorschreiben. Unter diesen Gesichtspunkten ist es schwierig, den fortschreitenden Naturverbrauch mit der möglichen Kompensation durch Geld, Waren oder Dienstleistungen zu rechtfertigen. 2.2.2 Substitution Entscheidend für intergenerationelle Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit ist der konstante summative Gesamtbestand an Kapitalien und nicht deren konkrete Struktur. In der ökonomischen Literatur werden die Bedingungen für die Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital meist in Modellen mit unbegrenztem Zeithorizont (35) und ohne technischen Fortschritt untersucht. Lebensstil - Bedarfsfelder, Die moderne Konsumgesellschaft, Der westliche Lebensstil 1, Das Konzept Lebensstil, Allgemeiner Begriff, Der soziologische Begriff - moderne Lebensstilforschung, Systematische Einordnung, Das Konzept der Bedarfsfelder, Auswirkung des Lebensstil auf Konsumentscheidungen, Notwendigkeit der Operationalisierung, Bedarfs- oder Handlungs- oder Bedürfnisfelder , Anwendungsstudien im Überblick, Quellen, Projektstudie Rommelmühle: Nachhaltiger Konsum im Spannungsfeld zwischen Modellprojekt und Verallgemeinerbarkeit, Gebhardt et al. , Ökobilanzierung von Siedlungen, Holger Wolpensinger, Kisho Kurokawa - Begründer des Metabolismus Kisho Kurokawa , Manifest der Symbiosis, Gesellschaften, Philosophien, Architekturen der Moderne, Natur, Architekturen des symbiotischen Denkens, Abstract Sybolism, Nara City Museum of Photography, Wüstenstadt in As-Sarir, Lybien, Internationaler Flughafen Kuala Lumpur, Ganzheitliche Architektur, Quellen , MIPS - Material Input Pro Serviceeinheit Entstehung des MIPS, MIPS Einführung, Faktor 10, Ökosphäre - Technosphäre, MIPS, MI Faktoren, Berechnung, Der Ökologische Rucksack, MIPS Berechnung - Praxisleitfaden, Möglichkeiten - Defizite des MIPS, Was kann der MIPS? Was kann er ( noch ) nicht? Chancen des MIPS, Dematerialisierung, Konsumverhalten, Bauen nach dem MIPS Konzept, Grundlagen, Arbeitsgruppe Sanierung, Arbeitsgruppe Wasser, Wärme und Luft, Projekt Solarstadt 2001, Differenzierung von Nachhaltigkeit Theoretische Grundlagen des Konzepts von Nachhaltigkeit, Einleitung, Was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeitstheoretische Grundlagen von Nachhaltigkeit, Schwache und Starke Nachhaltigkeit, Einführung, Schwache Nachhaltigkeit, Starke Nachhaltigkeit, Vermittelnde Positionen, Position nach Ott und Döring, Die Insel Nauru, Geschichte, Aspekte der schwachen und der starken Nachhaltigkeit, Björn Lomborg & Kopenhagen Konsens, Hintergrund, Operationalisierung - Der Kopenhagen Konsens, Gerechtigkeit Stadt auf Ökosystem Einleitung und Szenario " Haus 2000 ", Ökosystem, Definition, soziale Ökosysteme, Stadt, Definition, Entwicklung urbaner Systeme , Kulturlandschaft, Vergleich der Systeme, Problematik, Symbiose zwischen Stadt und Natur, Lösungsansätze, "Man and the biospher", Agenda 21, Effizienz oder Suffizienz? Effizienzrevolution, Suffizienzrevolution, Grenzen des Wachstums Nachhaltigkeit und Ressourcenmanagement, Club of Rome, Donella und Dennis Meadows, Grenzen des Wachstums 1972, Die neuen Grenzen des Wachstums 1992, The limits to growth, the 30 year update 2004, Weltmodelle, Kritik an den Weltmodellen, Allgemeine Kritik an den "Grenzen des Wachstums", Aktueller Umgang mit den "Grenzen des Wachstums", Kyoto-Protokoll, Charta von Athen 2003,
Die entscheidende Größe ist die Substitutionselastizität ". Sie definiert das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit von Natur- durch Sachkapital. Je höher der Wert der Substitutionselastizität ist, um so leichter können beide Faktoren gegen-einander eingesetzt werden. Auf die spezifischen Produktionsfunktionen (36), d.h. ökonomische Rechenmodelle, genauer einzugehen, würde an dieser Stelle den Rahmen der Ausarbeitung sprengen. Da sich die Spannbreite von schwachen über vermittelnde bis hin zu Konzeptionen starker Nachhaltigkeit im Wesentlichen darin unterscheidet, in wie weit Natur durch Sachkapital ersetzt werden kann, soll hier ein Überblick über das Ausmaß der Substitutionsmöglichkeit anhand der Substitutionselastizität " gegeben werden (37): > 1: Die natürliche Ressource kann vollständig substituiert werden. Die Ressource ist im Grunde unnötig. Das Konsumniveau kann ohne diese Ressource erhalten werden. = 1: Unter bestimmten Bedingungen ist das Naturkapital nicht wesentlich, um um ein positives Produktions- und Konsumniveau im Zeitablauf aufrecht erhalten zu können. Das maximale Produktionsniveau wird dann erreicht, wenn die Ressourcenrenten, d.h. die Entlohnung des Ressourceninhabers, aus dem Einsatz von Naturkapital vollständig in Sachkapital reinvestiert werden. 0 < < 1: Die natürliche Ressource ist essentiell. Die Frage ist, wie gering der Beitrag der Ressource zur Produktion werden kann und ob durch technischen Fortschritt eine Substitution möglich wird. Ansonsten würde das Produktions- und Konsumniveau im Laufe der Zeit auf Null absinken. Diese Annahme für die Substitutionselatizität betrifft die Mehrzahl aller natürlicher Ressourcen. = 0: Natur- und Sachkapital stellen perfekte Komplemente dar und können nicht substituiert werden. Die indefinite Substitution von Natur- durch Sachkapital wird inzwischen auch von vielen Ökonomen zurückgewiesen. Konzepte schwacher Nachhaltigkeit mit gewissen Konzessionen an eine nicht indefinite Substitution müssten demnach die Substitutionselastizitäten der unterschiedlichen Arten der Naturkapitalbestände ermitteln. Außerdem ist anzunehmen, dass sich kleinere Einbußen an Naturkapital leichter substituieren lassen als komplette und irreversible. 2.2.3 Kompensation Aufbauend auf den Substitutionsoptimismus wird hinsichtlich der intergenerationelle Gerechtigkeit davon ausgegangen, dass zukünftige Verlierer von Umweltveränderungen angemessen entschädigt werden können. Der Verlust an Naturkapital soll durch die verbesserte Produktion von Konsumgütern und Dienstleistungen einschließlich kultureller Angebote ersetzbar sein. Dass die Benachteiligten entschädigt werden sollen, ist ein Grundsatz der korrektiven Gerechtigkeit, der hier vorausgesetzt wird. Neben den bereits angesprochenen Problemen bzw. widersprüchlichen Annahmen, die dem Substitutionsoptimismus der Konzeption schwacher Nachhaltigkeit zu Grunde liegen, stellt sich hier wiederum das "Präferenzen-Problem". Es wird vorausgesetzt, dass die zukünftigen Empfänger der Kompensation mit dieser einverstanden sein werden, wenn ihr Nutzen dadurch anwächst oder zumindest nicht absinkt. Die Bedürfnisse zukünftiger Generationen sind jedoch unbekannt. Es können nur Annahmen darüber getroffen werden. Und Ökonomen dürfen keine Präferenzen vorschreiben. Unter diesen Gesichtspunkten ist es schwierig, den fortschreitenden Naturverbrauch mit der möglichen Kompensation durch Geld, Waren oder Dienstleistungen zu rechtfertigen. Diskontierung Die vom Konzept schwacher Nachhaltigkeit geforderte Einhaltung des "non-declining utility rule"muss mit dem Ziel der Maximierung des "net present value" (NPV), der Maximierung des Gegenwartswertes, konsistent verknüpft werden. Dafür spielt die Diskontierung eine entscheidende Rolle. Die Diskontierung ist ein Routineverfahren in der Ökonomik, um Kosten und Nutzen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, miteinander vergleichen zu können. Alle Zahlenwerte werden auf den Zeitpunkt "Null" bezogen, unabhängig davon, wie weit sie in der Zukunft liegen. Über zukünftige Werte bzw. Preise können dabei noch keine genauen Aussage getroffen werden.
Das übliche Verfahren der Diskontierung erweist sich dabei für rein monetäre, kurzfristige Kosten und Nutzen als unproblematisch. Es bewirkt jedoch eine starke Minderschätzung weit in der Zukunft liegender Ereignisse (38) und tritt damit in Konflikt mit dem in der Nachhaltigkeitsidee verankerten Anspruch der intergenerationalen Gerechtigkeit. Von Vertretern der schwachen Nachhaltigkeit werden dennoch Gründe angeführt, die die Diskontierung aus deren Sicht rechtfertigen (39): (1) Individuen besitzen eine Zeitpräferenzrate, d.h. sie ziehen Konsum heute dem Konsum morgen vor. (2) Durch anhaltendes Wirtschaftswachstum geht es zukünftigen Generationen besser, so dass aus Gründen intergenerationeller Gerechtigkeit diskontiert wird, da so die heutige Generation mehr konsumieren kann. (3) Es besteht Unsicherheit über zukünftigen Entwicklungen und über die Präferenzen zukünftiger Generationen. Zu (1): Die Zeitpräferenzrate beruht auf der Annahme, dass Individuen myopisch, d.h. ungeduldig sind: Ein Güterbündel heute wird einem Güterbündel morgen vorgezogen. Myopisches Verhalten könnte jedoch aufgrund der fehlenden Konsummöglichkeit morgen bereut werden. Solange sich die Diskontierung zukünftiger Nachteile für ökonomisch rational handelnde Individuen nur auf deren individuelle Lebensplanung bezieht, ist dies auch moralisch kein Problem. In der Ökonomik wird das Konzept der individuellen Myopie jedoch auf die gesamte Gesellschaft übertragen. Dabei weicht man vom Individualismus ab. Es wird ein unendlich lang lebendes, myopisches Individuum unterstellt, welches eine Gesellschaft vieler Individuen repräsentiert, um daraus die "soziale Diskontrate" (40) abzuleiten. Die Minderschätzung der Wohlfahrt zukünftiger, anderer Individuen wird so zu einer myopischen Minderschätzung des zukünftigen, eigenen Zustandes. Genau hierin liegt die Unzulässigkeit: eine zukünftige Person als einen eigenen zukünftigen Zustand zu modellieren. Zu (2) In der Ökonomik wird Wachstum mit der Zunahme des Konsumgüterangebotes gleichgesetzt. Die Annahme eines anhaltenden Wirtschaftswachstums ist somit an die Annahme eines stetigen Zuwachses an materiellen Gütern und Konsumchancen gekoppelt. Bezogen auf die Behauptung, Diskontierung erzeuge intergenerationelle Gerechtigkeit, dürfte demnach nur dasjenige abdiskontiert werden, das in Zukunft reichhaltiger vorhanden ist als zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. primär Sachkapital. Viele Elemente des Naturkapitals, die in Zukunft wahrscheinlich knapper sein werden als gegenwärtig, dürften nicht abdiskontiert, sondern müssten sogar mit einer negativen Diskontrate versehen werden. Der Einsatz der Diskontierungstechnik ist somit abhängig von Prognosen und Szenarien über sich verändernde Knappheiten verschiedener Güter. Zu (3): Das dritte Argument bezieht sich zum Einen auf die Unsicherheit der Konsequenzen unseres Tuns auf zukünftige Generationen, zum Anderen auf die Ungewissheit hinsichtlich deren Präferenzen. Es kann nicht mit letzter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Folgen heutiger Handlungen den Menschen zukünftiger Generationen in genau demselben Maße Schaden zufügen würden wie den Menschen heute. Aus dieser Ungewissheit lässt sich eine "Begründungslastregel" (41) ableiten: Wer irgend etwas Zukünftiges diskontieren möchte, hat die Darlegungslast, dass die Diskontierung unter den Aspekten "What? Why? How? Who?" mit den Prinzipien und Standards intergenerationeller Gerechtigkeit zu vereinbaren ist. (42) Es ergibt sich daher nicht die zwingende Notwendigkeit, Diskontierung hinsichtlich der intergenerationellen Verpflichtung generell abzulehnen. Vielmehr ist anstatt von Standard-Diskontraten eine differenzierte Betrachtung notwendig. Die Art und Weise der Diskontierung sollte abhängig gemacht werden von den einzelnen Kapitalbeständen, deren Knappheit etc. Starke Nachhaltigkeit 2.3.1 Theoretische Rahmung In der Konzeption der starken Nachhaltigkeit, die zur Ökologischen Ökonomik i.w.S. zählt, wird das menschliche Wirtschaftssystem nur als ein Teilsystem der umfassenden, durch den Aufbau negentropischer Strukturen gekennzeichneten Geo- und Biosphäre betrachtet. Von diesen negentropischen Strukturen ist die Ökonomie hinsichtlich der Ressourcenverfügbarkeit abhängig. Grundsätzlich fragt das starke Nachhaltigkeitskonzept daher nach den Grenzen der Inanspruchnahme der Biosphäre durch das ökonomische System. Gemäß der ökonomischen Logik muss jeweils in den die Produktion limitierenden Faktor investiert werden. Da bereits jetzt eine Verknappung von Einzelbeständen des Naturkapitals erkennbar ist, ist das Natur- und nicht das Sachkapital der limitierende Faktor. Komplementaritätsthese Komplementarität bedeutet, entsprechend der ökonomischen Theorie, wenn zur Herstellung eines Gutes und zur Bereitstellung einer Dienstleistung ein bestimmtes Verhältnis an Input verschiedener Produktionsfaktoren notwendig ist. In der Regel geht man von limitationalen Produktionsfunktionen aus: Bei einem bestimmten Faktorverhältnis liegt eine Substitutionsmöglichkeit vor. Diese jedoch erfordert eine immer höhere Inputmenge des anderen Faktors, je kleiner der Input des ersten Faktors wird. Das Konzept der starken Nachhaltigkeit sieht weitestgehend eine Komplementarität zwischen Natur- und Sachkapital vor. Die Komplementaritätsthese bezieht sich jedoch nur auf instrumentelle Werte der Natur, die auch tatsächlich in den Produktionsprozess eingeht. Constant natural capital rule (CNCR) Die Schlussfolgerung, der Gesamtbestand an Naturkapital sollte konstant erhalten werden, bzw. die Ergänzung um eine Investitionsregel (zukünftig verstärkte Investition in Naturkapital) leitet sich ab aus der Komplementaritätsthese, der Verpflichtung zur intergenerationellen Gerechtigkeit, sowie der Diagnose eines sich geschichtlich verändernden Musters an Knappheit (zunehmende Knappheit an Natur- und nicht an Sachkapital).
Die Komplentaritätsthese ist somit funktional auf das CNCR bezogen; das CNCR hingegen ist die oberste Regel nachhaltiger Entwicklung. Aus dem CNCR können verschiedene Management-Regeln abgeleitet werden. Substitution Es ist jedoch fraglich, ob die Substitutionselastizität generell = 0 gesetzt werden muss, wie von Vertretern der starken Nachhaltigkeitskonzeption verlangt wird. Zum Einen gibt es viele exemplarische Fälle einer erfolgreichen Substitution von Natur- durch Sachkapital, zum Anderen kann kultiviertes Naturkapital oft ökologische Funktionen von Naturkapital übernehmen. Eine Konsequenz aus dieser Feststellung wäre, spezifische Substitutionselastizitäten fallweise empirisch zu ermitteln (vermittelnde Nachhaltigkeitskonzeptionen). Die differenzierte Festlegung einzelner Substitutionselastizitäten ist dennoch mit dem CNCR vereinbar, da, auch im Falle einer modifizierten Komplementaritätsthese, andere Argumente zugunsten des CNCR angeführt werden können (43). Eudaimonistische Argumentation in der Umweltethik Während sich die Komplementaritätsthese nur auf die instrumentellen Werte der Natur, die auch in die Güterproduktion eingeht, bezieht, stellt sich, von einer eudaimonistischen Ethikkonzeption aus betrachtet, noch eine ganz andere Frage: Nicht nur, ob Natur- durch Sachkapital substituieren kann, sondern, ob diese Substitution überhaupt gewollt werden soll. Entscheidend ist bei dieser Argumentation nicht die Rolle des Naturkapitals im Produktionsprozess, sondern seine Bedeutung für das soziale, geistige und kulturelle Leben insgesamt. Eudaimonistische Werte der Natur beziehen sich auf naturästhetische Erfahrungen, Heimatverbundenheit, Erholung etc.
Im Vergleich mit der schwachen Nachhaltigkeit argumentieren Vertreter starker Nachhaltigkeitskonzeptionen nicht nur deontologisch, sondern auch nach eudaimonistischen Wertekategorien. Ökonomische Prozesse werden somit in die Komplexität des ökologischen, sozialen und kulturellen Lebens eingebettet. Als Konsequenz aus dieser Argumentation ergibt sich jedoch eine eingeschränkte Formalisierbarkeit, da die angeführten Wertekategoien nicht immer unmittelbar monetarisierbar sind. Kritik am Konzept starker Nachhaltigkeit Die starke Nachhaltigkeitskonzeption wird vor allem dahingehend kritisiert, dass sie Natur: (1) statisch konservieren würde. Die hohe innere Dynamik natürlicher Systeme mache eine "Konservierung" jedoch unmöglich. (2) den "bedingungslosen Erhalt" jeder Spezies fordern würde. Diese Forderung sei moralisch kontraintuitiv, da dann viele Konflikte zu Ungunsten menschlicher Bedürfnisse entschieden werden müssten. Die Konzeption starker Nachaltigkeit sei somit tendenziell inhuman und misanthropisch. Zu (1): Dieser Einwand ist nicht zutreffend, da das CNCR keine statische Konservierung einzelner Naturbestände impliziert, sondern bei einer differenzierten Betrachtung des Naturkapitals Spielraum für eine innere Dynamik zulässt. Zu (2): Auch dieser Einwand trifft nicht zu, da die entsprechend dem CNCR bestehende Verpflichtung zum Artenschutz in begründeten Einzelfällen höheren Verpflichtungsgründen untergeordnet werden kann. Somit wird nicht der "bedingungslose Erhalt" einer jeden Spezies gefordert, sondern es besteht eine "prima-facie-Verpflichtung" die bei starken Gegengründen außer Kraft gesetzt werden kann. Hartwick-Regel Auch lehnt die starke Nachhaltigkeitskonzeption die Nutzung nicht-erneuerbaren Naturkapitals nicht vollständig ab. Vielmehr wird auf die Hartwick-Regel verwiesen und diese durch eine Sparsamkeitsanforderung ergänzt: Die Hartwick-Regel fordert, dass Ressourcenrenten aus dem Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen in erneuerbare investiert werden sollen. Die Sparsamkeitsregel sorgt für eine stärkere Berücksichtigung der Grenzen der Belastbarkeit der Biosphäre und die langfristige Option auf höherwertige Verwendungsweise bestimmter nicht-erneuerbarer Naturkapitalien. Vermittelnde Positionen Vermittelnde Positionen versuchen, die Stärken der schwachen und der starken Nachhaltigkeitskonzeption zu verbinden und deren Schwachpunkte zu vermeiden. Zumeist wird dabei auf Annahmen verzichtet die als unnötig stark erscheinen. Zu Vertretern von vermittelnder Positionen in der Nachhaltigkeitsdebatte zählen Lerch und Nutzinger (1998), sowie Steurer (2001). Die Vertreter vermittelnder Nachhaltigkeitskonzeptionen wenden sich gegen eine Pauschalisierung und plädieren statt dessen für eine empirische Prüfung im Einzelfall. Natur- und Sachkapital sind teilweise komplementär, teilweise substituierbar. Substitution wird erlaubt, solange das "kritische" Naturkapital, d.h. die für die menschliche Wohlfahrt essentielle Substanz an Naturkapital, nicht angegriffen oder in seiner Funktion gefährdet wird. Somit wird unterschieden zwischen dem "überflüssigen" und dem "notwendigen" Bestand an Naturkapital. Das "kritische" Naturkapital umfasst globale Stoffkreisläufe wie auch zentrale Ökosystemfunktionen. Der WBGU (44) hat dazu ein normatives Prinzip formuliert: "[ein] Verbot für alle Eingriffe des Menschen (...), bei denen globale Regelkreise nachweislich gefährdet sind." (45) Dieses Verbot impliziert jedoch auch die Möglichkeit, nicht-kritische Naturkapitalien substituieren zu können. Die Kritik an vermittelnden Nachhaltigkeitskonzeptionen liegt darin, dass der Bestand des kritischen Naturkapitals nur sehr schwer identifiziert werden kann. Naturkapitalien sind keine homogene oder monolithische Substanz, sondern Aspekten wie der Retinität oder der Heterogenität unterworfen. Zudem sind für unterschiedliche Personengruppen unterschiedliche Formen von Naturkapitalien auf unterschiedlichen Skalen notwendig. Positionierung nach Ott und Döring Die Extrempositionen "sehr schwache" wie auch "sehr starke" Nachhaltigkeit gelten inzwischen allgemein als inakzeptabel, die Diskussion über die letztendlich zu wählende Konzeption ist jedoch hochaktuell und wird immer noch fortgeführt. Daher wollen wir in dieser Ausarbeitung zusätzlich auf die Position von Ott und Döring eingehen, die uns in ihrer Begründung als sehr schlüssig und auf gegenwärtige Problemstellungen Antworten zu bieten scheint.
Ott und Döring plädieren für eine "starke Nachhaltigkeit mit kontrollierten Modifikationen zugunsten partieller Substitution im Produktionsbereich". Sie bezeichnen dabei ihre Haltung, mit Verweis auf den Fortgang der Diskussion, nicht als eine "Letztbegründung", sondern als ein "begründetes Urteil praktischer Vernunft" (46). Mit Bezug auf die im oberen Teil dieser Ausarbeitung ausführlich erläuterten verschiedenen Positionen in der Nachhaltigkeitsdebatte werden hier noch einmal einige Gründe für die Wahl von Ott/Döring zusammengfasst (47): (1) die Ungewissheit hinsichtlich zukünftiger Präferenzen (2) das Vorsorgeprinzip angesichts von Ungewissheit (3) die größere Wahlfreiheit für zukünftige Generationen Nauru urbane Metabolismus Am Fallbeispiel der Republik Nauru kann sehr eindeutig dargestellt werden, welche Folgen die Durchführung des Konzeptes der schwachen Nachhaltigkeit in der Realität haben kann. Das Substitutionsprinzip, Kern der schwachen Nachhaltigkeit, wurde hier beinahe vollständig praktiziert. Die Folgen allerdings waren weit entfernt von einer nachhaltigen Entwicklung des Staates.
Die vollständige Substituierung des Naturkapitals, dem außergewöhnlichen Vorkommen großer Mengen reinsten Phosphates, durch Sachkapital führte letztendlich zur Verarmung eines ehemals reichen Inselstaates. Björn Lomborg Ein Großteil der ökonomischen Nachhaltigkeitsstrategien und -theorien lassen sich also auf einer imaginären Skala zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit einordnen und so miteinander vergleichen. Es soll nun ein Ansatz von Nachhaltigkeit vorgestellt werden, der in diese Kategorisierung nicht hineingehört - einerseits, weil er andere Ziele verfolgt und andererseits, weil er der gängigen Meinung über die ökologische und soziale Situation der Menschheit widerspricht. Gemeint ist die Strategie von Björn Lomborg, laut Time Magazine einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Operationalisierung - Der Kopenhagen Konsens Im Juni 2004 lädt Björn Lomborg 30 anerkannte Ökonomen, darunter drei Nobelpreisträger zum sog. Kopenhagen Konsens ein. Ziel der Übung ist nichts weniger als eine Priorisierung der größten globalen Aufgaben. Lomborg setzt hier bewusst ausschließlich auf Ökonomen und lässt Naturwissenschaftler außen vor. Seiner Ansicht nach seien Naturwissenschaftler zwar in der Lage, ihre eigene Disziplin hervorragend zu repräsentieren, allerdings außerstande, zwischen verschiedenen Disziplinen Prioritäten zu setzen. Prioritätensetzung sei demnach Sache der Ökonomen (54).
Schlussbetrachtung urbane metabolism Wir haben uns eingangs die Fragen gestellt, ob mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" stets die gleichen Inhalte bezeichnet werden oder ob unter diesem Etikett ganz verschiedene Problematiken und Themen versammelt sind. Und ob diese Themen in eine hierarchische Ordnung gebracht werden können. Nach der Darstellung der gerechtigkeitstheoretischen Grundlagen, der Erläuterung verschiedener Argumentationsketten sowie eines Fallbeispieles dürfte klar sein, dass der Begriff "Nachhaltigkeit" hochkomplex ist und sich keine Unterscheidung in "richtige" und "falsche" Positionen treffen lässt. Die Diskussion der Nachhaltigkeitsproblematik umfasst verschiedene Themenfelder, die jeweils unter ganz anderen Vorzeichen behandelt werden. Zwischen den unterschiedlichen Bereichen können Konflikte entstehen, und zwar sowohl aus inhaltlichen wie aus systematisch-methodischen Gründen. Das liegt daran, dass Nachhaltigkeitsstrategien immer zweckgerichtet sind. Was aber als lohnenswerter Zweck einer Nachhaltigkeitsstrategie betrachtet werden kann, ist nicht von vornherein so klar, wie es das Label der Nachhaltigkeit suggeriert. Wenn also sowohl starke wie auch schwache Nachhaltigkeit sich das Ziel einer guten, lebenswerten Umwelt als Ziel setzen, aber zu Ergebnissen kommen, die sich gegenseitig ausschließen, so ist das kein Wunder. Schon die Prämissen der beiden Theorien sind inkommensurabel: die von der schwachen Nachhaltigkeit postulierte unbegrenzte Substitutionselastizität kann von der starken Nachhaltigkeit nicht akzeptiert werden, da letztere Position auf einem unhintergehbaren Eigenwertigkeit von Naturkapital rekurriert. Auch die Argumentationsweisen der Theorien sind unterschiedlich. Die eudaimonistische Komponente der Argumentationslinie von Vertretern starker Nachhaltigkeit, Ott und Döring eingeschlossen, kann in einer rein deontologischen Argumentation (schwache Nachhaltigkeitskonzeption) nicht reformuliert werden. Nichtsdestotrotz macht die Theorie von Ott und Döring beispielsweise Sinn, um zu praktischen Entscheidungen bei den gegenwärtig anstehenden Fragen zum Umgang mit Ressourcen zu kommen. urban metabolism Der wichtige Punkt ist unserer Meinung nach die Zweckgebundenheit von Theorien nie aus den Augen zu verlieren. Jede Theorie bezieht sich auf einen speziellen Kontext und blendet damit notwendige andere Bereiche aus. Verschiedene Nachhaltigkeitstheorien können verschiedene Probleme unterschiedlich gut lösen, d.h. sie gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus und sind deshalb nur bedingt miteinander vergleichbar. Das führt zur zweiten Frage, nämlich zur Frage nach der hierarchischen Ordenbarkeit der verschiedenen Nachhaltigkeitstheorien. Ein Vergleich zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit mit der Theorie Björn Lomborgs macht offensichtlich, daß eine Hierarchisierung eben nicht möglich ist. Die Theorien schlagen in ihrer Betrachtung und Wertung vollkommen unterschiedliche Richtungen ein und sind demnach nur innerhalb des eigenen Wirkungsbereiches bewertbar. urban Metabolismus Schlussendlich bleibt festzustellen, dass keine der Theorien dem Anspruch an die ultimative, allumfassende Nachhaltigkeit bzw. an der Lösung aller Probleme der Menschheit gerecht werden kann. Quellen Konrad Ott und Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg 2004
Döring, R. - Wie stark ist schwache, wie schwach starke Nachhaltigkeit?
Diskussionspapier 08/2004 Christiane Grefe, Wenn alles immer besser wird. In: DIE ZEIT, 01.08.2002 Scherhorn, G., 2004: Natur und Kapital: Über die Bedingungen nachhaltigen Wirtschaftens. In: Natur und Kultur, Jg. 5, S. 70 Ulrich Schnabel, Die andere Katastrophe. In: DIE ZEIT, 05.01.2006, http://www.copenhagenconsensus.com, 28.02.2006 http://de.wikipedia.org/wiki/Nauru, 28.02.2006